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  Krieg in den städten

Berlin: Krieg in den Städten   Die linke Szene   1870-1933 Arbeiterbewegung Aufgrund des hohen Anteils von Arbeitern galt Berlin nicht erst seit 1918 als Zentrum der kommunistischen Bewegung. Selbst 33/34 waren die Berliner Vororte noch fest in Händen von KPD und SPD. Doch nach der Zerschlagung durch die NSDAP und der Einführung der sozialen Markwirtschaft, die soziale Ungerechtigkeiten erfolgreich übertünchte, ergab sich das Westberliner Proletariat dem kleinbürgerlichen „Mief der Adenauer Ära“ und akzeptierte die „demoautoritäre“ Elitenherrschaft. Im sowjetischen Sektor wurden alle wirklich revolutionären Denkansätze durch die schon im Exil gesäuberte SED unterdrückt.   1960-70 Antiautoritäre Bewegung In Berlin versammelte sich wie in keiner anderen Universitätsstadt linksalternative Studenten, da man sich in Berlin wegen des Besatzungsstatuts der „Wiederbewaffnung“ im Rahmen der Bundeswehr entziehen konnte und wegen der FU Berlin, die sich als politische Universität verstand und die sich gegen das Verbindungswesen wehrte, das direkt aus dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDSTB) hervorgegangen war. Von der Studentenbewegung aus den USA inspiriert, und die Ideen von Marx, Rosa Luxenburg und auch der Frankfurter Schule aufgreifend, begann die Berliner Studentenschaft radikaldemokratische Utopien zu entwerfen und die Verdrängung der Nazivergangenheit zu kritisieren.

Der SDS wurde unter Rudi Dutschke zum Träger dieser Bewegung, die durch konflikthafte Aktionsformen, wie „Go-ins“ oder „Teach-ins“, auf sich aufmerksam machte. Während sich die Kritik anfangs noch nur an universitätseigenen Problemen festmachte, bekam die Studentenbewegung mit der Ablehnung der Notstandsgesetzgebung, der Gründung der Außerparlamentarischen Opposition (APO) angesichts der großen Koalition und dem Widerstand gegen den Vietnamkrieg eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Praktisch alle wichtigen Ereignisse fanden in Berlin statt: die Schah-Demonstration, die Ermordung Benno Ohnesorgs, das Attentat auf Rudi Dutschke und die Angriffe auf den Springer Konzern. Aber im Gegensatz zu den Unruhen von 68 in Paris gab es in Berlin nie ein Zusammengehen zwischen revolutionären Studenten und der Arbeiterschaft, im Gegensatz dazu kam es in Berlin zu Anti-SDS Demonstrationen von „wahren Berlinern“. Neben dem politischen Aufstand gab es einen kulturellen, der sich in Berlin hauptsächlich auf den Bezirk Kreuzberg SO 36 konzentrierte, weil durch die von der Verwaltung geplante „Kahlschlagsanierung“ die Mieten niedrig waren. Neben Studenten zogen vor allem ausländische Gastarbeiter in die heruntergekommenen Häuser, und es entwickelte sich eine besonderer Kiezatmosphäre.

Kinder- und Ethnoläden wurden gegründet, und die Kommunenbewegung nahm von hier ihren Ausgang Die Komune 1 (K 1) wurde am Stuttgarter Platz von 9 Männern, unter ihnen Dieter Kunzelmann, und 5 Frauen ins Leben gerufen. Neben spaßbetonten Polit-Happenings („Wir verbrennen einen deutschen Dackel, wenn der Vietnam-Krieg nicht aufhört“) wurde der Versuch unternommen, den Menschen sexuell zu befreien. Der vom Kapitalismus zerstörte „eindimensionale Mensch“, von bürgerlichen Normen eingeschränkt, sollte durch andauernde Psychoanalyse befreit werden. Vom SDS wurde die Kommune bald ausgeschlossen, da sie alle Absprachen mißachtete, und die Gruppengespräche wurden immer mehr zum Psychoterror, und so scheiterte die K 1 schon nach wenigen Monaten. Aber im Schatten der K 1 entstanden viele „realistische“ Wohngemeinschaften, die zum eigenwilligen Flair von Kreuzberg beitrugen. Kreuzberg galt als Inbegriff der multikulturellen Gesellschaft, aber auch als Synonym für soziale Probleme, da alle „Besserverdienenden“ das marode Kreuzberg verließen.

Kreuzberg hatte die mit Abstand höchste Arbeitslosenquote, da die ehemaligen Industriebetriebe meist bankrott gingen. Außerdem entwickelte sich in Kreuzberg eine Ablehnung von staatlicher Autorität, die sich dadurch ausdrückt, daß die Einbeziehung der Polizei geächtet wurde und teilweise auch linksradikale Grupierungen polizeiliche Aufgaben übernahmen. Die antiautoritäre Bewegung zerfiel im Laufe der 70er Jahre. Der SDS löste sich nach dem Attentat auf Rudi Dutschke auf, und die Hoffnung auf eine Befreiungsbewegung in der 3. Welt wurde enttäuscht. Während ein Teil der Bewegung sich in sektiererischen Splittergruppen verloren, versuchte ein anderer den „langen Marsch durch die Institutionen“, der sich wohl endgültig mit der Zustimmung der Grünen zum Kosovo-Krieg erledigt hat.


Eine kleine Gruppe versuchte, die Revolution als Stadtguerilla weiterzuführen, worauf der Staat mit starken Repressionsmaßnahmen reagierte, die sich vom Radikalenerlaß bis zum §129 niederschlugen.   1970-84 Hausbesetzerszene   Ende der 70er begann sich die Autonome Bewegung auszubreiten, die netzwerkartig und hierarchielos organisiert war, und sich in Umwelt-, Friedens-, anarchistischen, sozialistischen und antiimperialistischen Gruppierungen einbrachte. Gemeinsam ist allen Autonomen die Ablehnung aller dogmatischen und autoritären Strukturen innerhalb des „Verwertungssystems“ der BRD, und die Akzeptanz militanter Gewalt. In Berlin fand sie vor allem in Hausbesetzungen Ausdruck, da durch Spekulation gerade in Kreuzberg viele noch relativ gut erhaltenen Häuser leer standen. Ähnlich wie in der Hamburger Hafenstraße gelang es autonomen Gruppen, bis zu 150 Häuser zu besetzen. Zur selben Zeit wurden auch Wagendörfer gegründet, bei denen sich Menschen in Bauwagen zu alternativen Lebensgemeinschaften zusammenschlossen.

Berlin war mit bis zu 16 Wagendörfern Hochburg der Bewegung, da man das Niemandsland hinter der Berliner Mauer nutzen konnte. Hausbesetzter- und Wagendorfbewegung zogen ein großes Spektrum unterschiedlichster Menschen an. Neben rein politischen Autonomen gab es auch radikalökologische Gruppen, wobei beide ihre Vorstellungen von herrschaftslosen alternativen Lebensgemeinschaften verwirklichen wollten. Ein großer Anteil waren aber auch Menschen in materiellen Notlagen, die auf der Suche nach billigem Wohnraum waren, und als letztes sogar Naturliebhaber und Schrebergärtner, die sich eine „grüne Scholle“ in der Großstadt schaffen wollten. Es gab aber nie eine homogene Bewegung, es entstanden sowohl chaotische Müllkippen als auch funktionierende WGs, die mit Geschlechterrollen brachen und ohne jede Art von Leisungsanreizen auskamen. Die gesamte Bewegung hatte jedoch schon bald mit Repressionen und Räumungen durch die Stadtverwaltung zu kämpfen, die „rechtsfreie Räume“ nicht dulden wollte.

Die gesamte Bewegung wurde kriminalisiert, was sich besonders im Verfahren gegen das Szeneblatt „radikal“ nach §129a zeigt. Entweder wurden Hausbesetzer durch aufreibende Häuserkämpfe vertrieben oder durch Instandsetzungsverträge legalisiert. Schon ab 1984 gab es kein besetztes Haus mehr in Kreuzberg, und auch 8 der Wagenburgen sind geräumt.   1980-1989 Die Autonome Bewegung Anfang der 80er kam es wegen der Massenarbeitslosigkeit gerade von Gastarbeitern zu einer Verelendung und Kriminalisierung Kreuzbergs. Viele jetzt gutverdienenden ehemaligen Mitglieder der antiautoritären Bewegung begannen deshalb, Kreuzberg zu verlassen und die alte Kiezstruktur löste sich langsam auf. Außerdem nahm die Stadtverwaltung von der „Kahlschlagsanierung“ in Kreuzberg aufgrund großer Proteste Abstand.

Statt dessen begann sie mit einer „sanften“ Sanierung an, bei der man viel Wert auf Erhaltung der Bauten legt. Jedoch stiegen mit den Sanierungen auch automatisch die Mieten, eine Art „indirekte Räumung“, weil auf diese Weise die naturgemäß armen alternativen Wohnprojekte und Ausländer wegziehen müssen. Die Berliner Autonomen Gruppen waren noch relativ unbedeutend, da Autonome Aktionen immer bei konkreten Anlässen (Wackersdorf, Startbahn West) ansetzten, und dies in Berlin nicht gegeben war. Das änderte sich schlagartig mit dem 1. Mai 1987, an dem in Kreuzberg ein Straßenfest gefeiert wurde. Nach Spannungen begann die Polizei den Platz zu räumen, und es schlossen sich heftige Straßenschlachten an, wobei Teile der „normalen“ Kreuzberger Bevölkerung sich den Unruhen anschlossen, die tagelang andauerten.

In dieser Nacht liegt der „Mythos Kreuzberg“ begründet, weil die Teilnahme von Teilen der Bevölkerung der isolierten Szene gewaltigen Auftrieb gab, sowie die Hoffnung nährte, die Distanz zwischen der intellektuellen Linken und der Bevölkerung, als deren Interessenvertreter man sich verstand, zu überwinden. Außerdem vollzog sich die endgültige Trennung von der ehemaligen antiautoritären Bewegung, weil die Alternative Liste (Die Grünen) die Unruhen scharf verurteilte. Die „revolutionären 1. Mai Demonstrationen“, die man ab 1988 unternahm, waren (und sind) Anlaufpunkte für die gesamte Autonomenszene der BRD, um ihrer Unzufriedenheit mit dem System Ausdruck zu verleihen, und stets von Gewaltätigkeiten begleitet. Die Stadtverwaltung begann nun, um die Kontrolle nicht zu verlieren, die Polizei in Berlin dauerhaft zu verstärken, in Berlin kamen (und kommen) auf einen Polizisten 250 Bürger, ein höheres Verhältnis als in jedem anderen Bundesstaat. Außerdem fing man an, wesentlich aggressiver gegen Proteste vorzugehen, so wurde z.

B. beim Reagan-Besuch am 12.06.87 der gesamte Bezirk Kreuzberg abgeriegelt, trotzdem kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Neben militanten Demonstrationen wurden ab Mitte der 80er Jahre auch dauerhaft direkte Aktionen unternommen. Diese reichten von Spray- und Plakataktionen bis zu Angriffen auf Personen, deren Adressen über Szene-Publikationen verbreitet wurden, oder Objekte.

  1960-89 Die linke Bewegung in der DDR Schon in der Tauwetterperiode der 60er Jahre hatte die DDR ein Äquivalent zur antiautoritären Bewegung gebildet, auch hier formierten sich ökologische, pazifistische, Bürgerrechts-, kirchliche, und (wirklich) sozialistische Gruppierungen. Doch spätestens nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ wurden alle Forderungen nach einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ von der Stasi zum Verstummen gebracht. Trotz der unzufriedenen Bevölkerung war die Bewegung praktisch bis Ende der 80er Jahre gesellschaftlich nicht relevant. Unter Führung von Bürgerrechtsgruppen schlossen sich Ende der 80er große Teile der DDR zu einer Protestbewegung zusammen. 1989 wurde die DDR durch Montagsdemonstrationen und den Wegfall des eisernen Vorhangs so ausgehöhlt, dass im Osten ein rechtsfreier Raum entstand. Runde Tische, durch die basisdemokratisch regiert werden sollte, wurden eingerichtet.

Im heruntergekommenen Bezirk Prenzlauer Berg wurden mehr als 200 Häuser von Alternativen aus Ost und West besetzt, ohne dass die DDR-Polizei reagierte. Dies führte zu einer Abwanderung aus Kreuzberg zum Prenzlauer Berg, der als der neue Kiez gilt. In der euphorischen Stimmung hofften viele auf Umsetzung des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, doch mit der Angliederung an die BRD wurden die runden Tische aufgelöst.   1989-99 Die gegenwärtige Lage   Durch die Wiedererstarkung von Neofaschistischen Organisationen gerade in den Neuen Bundesländern wird auch in Berlin die Antifaschistische Aktion (AA/BO) gegründet, der sich große Teile der „traditionellen“ Autonomen anschließen. Wegen der zunehmenden Aggressivität und Verbreitung faschistischer Jugendlicher werden die Außenbezirke der Stadt von Linken zunehmend gemieden und gelten als „national befreite Zonen“. Mit der Ernennung Berlins zur neuen Hauptstadt der DDR hat sich die Situation nachhaltig geändert.

Zum einen werden die meisten Großdemonstrationen in Berlin durchgeführt („revolutionäre 1. Mai-Demonstration“, Liebknecht/Luxenburg-Demonstration), die oft zu Bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Berlin Ruf als Zentrum der linken Bewegung ist gerade darauf zurückzuführen. Die hauptsächliche Änderung ist der Widerstand gegen die Umstrukturierung von Berlin. Mit dem Ausbau der „neuen Mitte“ kommt es zu steigenden Mieten, was traditionelle Bevölkerungsschichten aus der Innenstadt vertreibt. Statt dessen ziehen kommerzielle Gewerbetreibende und besitzende Bevölkerungsschichten ein, die von Autonomen als „Bonzen und Bosse“ abgelehnt werden.

Gleichzeitig kam es zur durch Innensenator Schönbohm vorangetriebenen Räumung von praktisch allen besetzten Häusern und Wagendörfern, vor allem am Prenzlauer Berg. Das letzte besetzte Haus (Haus Koeppi) soll am 12.11.99 geräumt werden. Daneben werden wöchentlich Repressionsmaßnahmen, wie z.B.

Hausdurchsuchungen, auch gegen „legalisierte“ (eigentlich tolerierte) Häuser vorgenommen, was zu Auflösungunserscheinungen der Szene am Prenzlauer Berg und Kreuzbergs geführt hat. Entweder zogen alternative Wohnprojekte und Kneipen aus, oder sie versuchten sich den veränderten „Marktgesetzen“ anzupassen, kommerzialisierten also (z.B. das Tacheles). Nur in Friedrichshain haben sich die alternative Szene gehalten. Gegen diese Umstukturierungsmaßnahmen setzten sich die Berliner Autonomen mit militanten Aktionen zur Wehr.

Zur Zeit werden ungefähr jeden Monat Demonstrationen durchgeführt, die sich „Reclaim the steets parties“, und in deren Anschluß es immer zu Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und Polizei kommt. Außerdem kommt es zu Anschlägen auf Objekte und Personen, die man für kapitalistisch hält, deren Namen und Adressen man mit Hilfe von „schwarzen Listen“ ausgetauscht werden. Wie schon oben aufgeführt, erscheinen all diese Aktionen als hilflose Symbole gegen die veränderte Struktur von Berlin, die höchstens verlangsamend wirken. Der Zuzug von Besserverdienenenden und transnationalen Konzernen (z.B. die Daimler-Benz-Stadt), kann dadurch sicher nicht dauerhaft verhindert werden.

Aber auch die Versuche zur Vertreibung der linken Szene von Berlin müssen als gescheitert angesehen werden, wie der neue Höchststand bei linksextremistischen Verbrechen in Berlin beweist.       Quellen:     Feuer und Flamme (Linksradikales Magazin aus Berlin), „Die Autonomenbewegung“ , „Wagendörfer“ Squatter.net (Internet Netzwerk der Hausbesetzerszene), „Hönkel, oder wie besetze ich ein Haus“ Nadir.net (Internet Netzwerk autonomer Gruppen), „Gegen das Berlin der Bonzen und Bosse“ Pressedienst des Bundestags, „Verfassungsschutzbericht 1999“ Spiegel Spezial, „Die 68er Revolte“ Bernt Engelmann, „Einig gegen Recht und Freiheit, 2. Teil“ Handbuch politische Theorien und Ideologien, „Die antiautoritäre Bewegung der 60er Jahre“, „Die neue soziale Bewegung“ Partisan.net, „Bürgerrechtsbewegung in der DDR“

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