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  Eva köberlein

Eva Köberlein EvaKa@t-online.de Klasse 11b          HAUSAUFSATZ AUS DEM DEUTSCHEN Textanalyse       Abgabetermin: Montag, 25.10.1999          Thema: Joseph Roth „Radetzkymarsch“ (1932)           1. Beschreiben Sie, wie Roth die beiden Figuren vorstellt und ihre Charaktere herausarbeitet. Untersuchen Sie dazu das erzählerische Vorgehen, die Verwendung von Motiven und wichtige sprachlich-stilistische Mittel des Kapitelanfangs.

  2. Deuten Sie, welches Lebensgefühl im österreichischen Kaiserreich der Autor in diesem Textausschnitt vermitteln will. Joseph Roth: Radetzkymarsch        Textaufnahme 1. Charakterisierung der beiden Figuren Erzählerisches Vorgehen Bewusste Unterteilung in drei Abschnitte „Kameratechnik“ Betrachtung der Motive Leitmotiv: Radetzkymarsch Symbol für die Macht Österreichs Aufkommen von Zweifel und Skepsis an der uneingeschränkten Macht Bezug der allgemeinen Stimmung auf den Charakter Trottas Projektion auf Carl Josephs Charakter Zusammenfassung und Vergleich Motive der Uhr und der Fliege Motiv der Jalousien Motiv des Manschettenknopfes Analyse der Charaktere anhand von Textstellen Bezirkshauptmann Trotta Leben in Ritualen Erwartung des absoluten Gehorsams Carl Joseph Trotta Begeisterungsfähigkeit Assoziationen mit der Heimat Beziehung zur Mutter und Frauen im Allgemeinen Sprachliche Mittel Schaffung einer heimschen Atmosphäre (Wesen des Sohnes) durch das Bild der alten Kastanien durch ausschmückende Adjektive und Verben Schaffung einer disziplinierten, aber stolzen Atmosphäre (Wesen des Vaters) durch das Bild der Militärkapelle durch militäristische Ausdrücke Abschließende Zusammenfassung und Gegenüberstellung der erarbeiteten Charaktere   2. Deutung des vermittelten Lebensgefühls im österreichischen Kaiserreich 2.1 Identifikation mit dem Vaterland 2.

2 Hochgefühl durch zuviel Macht 2.2.1 Glauben an die kaiserliche Vollkommenheit 2.2.2 Übersehen des Verfallsprozesses 2.3 Hohe Stellung des Militärs und des Adels 2.

3.1 Bewunderung für die Soldaten 2.3.2 Militärdienst als moralische Verpflichtung 2.3.2 Herr von Winternigg 2.

4 Zusammenfassung   3. Stellungnahme im Bezug auf die nachfolgenden historischen Ereignisse          Eva Köberlein Joseph Roth: Radetzkymarsch  In seinem Roman „Radetzkymarsch“, einem fiktionalen Text, der 1932 entstanden ist und 1965 unter der Regie von Michael Kehlmann verfilmt wurde, beschreibt der Autor Joseph Roth im zweiten Kapitel das Verhältnis des Bezirkshauptmanns Franz Freiherrn von Trotta und Sipolje zu seinem Sohn Carl Joseph und stellt an deren Beispiel den Glauben der Menschen an ein intaktes Österreich dar, obwohl der Verfall der königlichen und kaiserlichen Monarchie zum damaligen Zeitpunkt, kurz vor dem 1. Weltkrieg, nicht mehr aufzuhalten war. Der Beginn des zweiten Kapitels des Romans kann zunächst grob in drei Abschnitte gegliedert werden, um eine nähere Analyse durchzuführen: Im ersten Teil (Z.1-72) wird hauptsächlich von der Militärkapelle und einigen Beobachtungen im Dorf berichtet, was dem Leser eine ersten Eindruck der entspannten, stolzen Stimmung der Menschen geben soll. Auch im dritten Abschnitt (Z.

152-189), der von der Thematik mit dem ersten zu vergleichen ist, herrscht diese Atmosphäre, allerdings ist sie hier meistens auf die Persönlichkeit Carl Joseph Trottas projiziert. Im Kontrast dazu steht der Mittelpart, der sich über die Zeilen 73 bis 151 erstreckt. Hier spürt der Leser eine komplett gegensätzliche Stimmung. Der Vater Carl Josephs, Bezirkshauptmann Trotta, unterzieht hier den Sohn der obligatorischen Prüfung zu Beginn der Sommerferien; die Atmosphäre wirkt gezwungen, förmlich, nahezu militärisch, keine Spur des angenehmen ‚Sommergefühls‘. Man kann annehmen, dass der Autor diese Trennung bewusst vorgenommen hat: Mit den Sommer-Teilen will er die Jugendlichkeit und den Drang nach Unbeschwertheit des Sohnes ausdrücken, der sich auf seine Ferien freut. Mit dem dazwischengeschobenen Prüfungsabschnitt zeigt er die konservative Einstellung des Vaters, der durch seine Strenge und seine Kälte dieses Hochgefühl unterbricht; genauso wie der Autor an der Stelle der Begegnung von Vater und Sohn den Sommer-Part unterbricht.

Roth stellt die Charaktere der Protagonisten sehr anschaulich dar, allerdings ohne die Wesenszüge ausdrücklich anzusprechen. Er macht diese dem Leser aber durch genaue Betrachtung und Beschreibung ihres Verhaltens sichtbar. Man könnte fast sagen, er nimmt als personaler Erzähler die Stelle einer Kamera ein, die das Gesamtgeschehen aufnimmt, die Aufmerksamkeit des Zuschauers zugleich aber durch geschickte Aufnahmetechniken und Kameraeinstellungen auf wichtige Merkmale und Symbole lenkt. Die im Text enthaltenen Motive, die ein Beispiel für dieses Vorgehen des Erzählers sind, sollen somit helfen, die Charaktereigenschaften der Hauptfiguren sichtbar zu machen: Am auffälligsten ist die wiederholte Nennung des Radetzkymarsches, der eindeutig das Leitmotiv und zugleich den Titel des ganzen Romans bildet. Zu Beginn dieses zweiten Kapitels wird er erstmals erwähnt, seine Aufführung sehr anschaulich über eine ganze Seite hinweg geschildert. Er gilt zu dieser Zeit als Symbol für ein mächtiges Österreich (er war 1848 nach dem Sieg über Italien zu Ehren der Soldaten und des Kommandeurs Radetzky erstmals zu hören) und wirkt deshalb auf die Bevölkerung sehr mitreißend und anspornend.


Dies kann man genau an den Reaktionen des Publikums erkennen: „Auf den Gesichtern aller Zuhörer ging ein gefälliges und versonnenes Lächeln auf, und in ihren Beinen prickelte das Blut. Während sie noch standen, glaubten sie schon zu marschieren“ (Z.34-37). Die Menschen halten also stark an dem Gefühl eines intakten unzerstörbaren Österreichs fest, und, als ob sie Angst hätten, es könnte vergessen werden, zelebrieren sie die Musik in einer übertriebenen Weise. Der Kapellmeister hält es sogar für notwendig, „jede Note vom Blatt zu lesen“ (Z.28), wohl um zu verhindern, dass der Marsch, den die Mitglieder der Kapelle „mitten in der Nacht und im Schlaf hätten spielen können“ (Z.

26/27) aus den Gedächtnissen verschwindet. Er zeigt hier eine gewisse Skepsis, die man noch auffälliger in seiner Meinung über Disziplin und Gewissenhaftigkeit von Dirigenten spürt: In Zeile 17 bezeichnet er die Nachlässigkeit anderer Kollegen als „deutliches Anzeichen des Untergangs der kaiserlichen und königlichen Monarchie“ (Z.17/18). Der Leser erhält schon jetzt eine Vorstellung, wie wichtig den Österreichern damals die Tradition und die Macht ihres Vaterlandes waren. Die Wesenszüge der Menschen im Allgemeinen sollen jedoch insbesondere den Charakter des Bezirkshauptsmanns Trotta verkörpern, der diese Mentalität sehr gewissenhaft lebt. Auch im dritten Abschnitt nimmt der Radetzkymarsch eine entscheidende Rolle im Textverlauf ein, allerdings diesmal mit einem etwas anderen Hintergrundgedanken.

Er bildet hier ein Symbol für die sommerliche Heimkehr Carl Josephs. Bei den ersten Klängen der Musik gerät der junge Trotta ins Schwärmen von seinen Vorfahren, den Habsburgern, die er alle „aufrichtig“ (Z.162), „mit kindlich ergebenem Herzen“ (Z.163) liebt. Durch den Radetzkymarsch wird er sogar von dem Gedanken begeistert, später einmal für sein Vaterland in den Heldentod zu gehen. Seiner Meinung nach stirbt man ja „am besten bei Militärmusik, am leichtesten beim Radetzkymarsch“ (Z.

165/166), und er beginnt, sich seinen Tod in den lebendigsten Farben auszumalen. Der Marsch spielt dabei eine wichtige Rolle, Carl Joseph bezieht den ganzen Vorgang des Sterbens auf die Musik: Kugeln pfeifen „im Takt“ um seinen Kopf (Z.167), „Herz und Sinn [sind] erfüllt von der holden Hurtigkeit des Marsches“ (Z.168) und er „sinkt hin in den trommelnden Rausch der Musik“ (Z.169). In seiner infantilen Art lässt er sich leicht von der Vorstellung der marschierenden Soldaten im Kampf für den Kaiser beeindrucken.

Auch während des Essens erwähnt Carl Joseph die Militärmusik positiv, denn sie lässt „keins der peinlichen, kurzen und harten Gespräche aufkommen, die der Vater so oft anzubrechen liebt“ (Z.179-181). Der Radetzkymarsch nimmt also die Position des Leitmotives ein, muss aber für die beiden Hauptpersonen verschieden gedeutet werden: Für den Vater stellt der Marsch den Ausdruck der unübertrefflichen österreichischen Macht dar. Er versucht diese Herrschaft zu stärken und zu sichern, indem er an den Traditionen Österreichs mit allen Mitteln festzuhält. Für seinen Sohn Carl Joseph verkörpert der Radetzkymarsch Freiheit und Heimat, Heldentaten und Bewunderung. Er gerät ins Träumen von großen Abenteuern, die durch sein kindliches Wesen teilweise ins Surreale verschwimmen.

Zwei weitere Motive sind die Fliege und die Wanduhr. Man kann an ihnen die oben erwähnte Kameratechnik erkennen, da sie eigentlich eher unscheinbare Objekte sind, auf die der Autor wie durch Zoom besonders aufmerksam macht. Beide werden während der Prüfung Carl Josephs mehrfach ‚anvisiert‘. Die Wahrnehmung solcher Nebensächlichkeiten lässt vermuten, dass der Sohn das Ende der drei Stunden kaum erwarten kann, um endlich von seinem Vater erlöst zu sein. Die Uhr stellt das nur langsame Verstreichen der Zeit dar. Mit ihr, „nachdem die neun goldenen Schläge verhallt waren“ (Z.

96), beginnt die Prüfung, zwischenzeitlich hört Carl Joseph sie nur ticken (Z.111) und wirft ab und zu „einen geheimen Blick nach der Uhr“ (Z.131). Auch das Ende um 12 Uhr hängt von ihr ab (Z.151). Die Fliege wird sowohl zu Anfang („Eine Fliege summte“ – Z.

95) als auch während der Prüfung („Die Fliege summte“ – Z.111) von Carl Joseph bemerkt – immer in unveränderter Handlung. Ganz deutlich erkennt der Leser, wie endlos die Fragestunde für den Sohn erscheint und die Zeit nahezu stillsteht. Der starke Respekt vor seinem Vater lässt ihn allerdings diszipliniert verharren, er hat auch keine andere Wahl. Im Machtbereich seines Vaters ist er sozusagen von der Außenwelt abgeschnitten, was der Autor durch die mehrfache Erwähnung der Jalousien – das nächste Motiv – auszudrücken versucht. Durch die Ritzen fallen schmale Sonnenstreifen ins Zimmer (Z.

94) und sie werden nur langsam stärker (Z.135). Die Vorhänge sind somit ein Symbol für die Kontrolle des Vaters: So wie sie den Sommer nicht in den Raum lassen, verhindert auch der Vater durch die Prüfung den Kontakt nach draußen, zur Freiheit. Allerdings, je weiter die Zeit fortschreitet, desto näher rücken die Sonnenstreifen zum Fenster (Z.136) und desto näher kommt auch Carl Joseph seinem Weg nach draußen, seinem Ferienbeginn. Das auffälligste Motiv dieses Abschnitts, wieder wie durch Zoom herangeholt, ist der „mächtige Manschettenknopf“ des Vaters, der „golden glitzert“ (Z.

104). Ganz eindeutig verkörpert er dessen Macht, denn er wird immer erwähnt, wenn der Bezirkshauptmann seinen Sohn rügt oder dieser eine schwierige Frage fürchtet. So z.B., als das Reiten, keine große Stärke Carl Josephs, zur Sprache kommt und sein Vater ihn abrupt unterbricht (Z.102-104) oder als Carl Joseph der Gedanke kommt, seinem Vater „könne einfallen, Geschichte des Altertums zu prüfen oder germanische Mythologie“ (132/133).

Die Manschette wird mit den Adjektiven „mächtig“ (Z.103), „hart“ (Z.117) und „glänzend“ (Z.102) umschrieben, alles im übertragenden Sinn Charaktereigenschaften des Vaters, die der Sohn in diesen Augenblicken wahrnimmt. Die Wesenszüge, die sich bei Betrachtung der Motive herauskristallisiert haben, werden auch im Verlauf des ganzen Textes immer wieder belegt. So z.

B. die Strenge und Disziplin des Vaters, die er seinem Sohn gegenüber spüren lässt. Der Leser bekommt ganz klar zu spüren, dass alles vom Willen des Vater abhängt (Z.73). Selbst den eigentlichen Beginn der Ferien legt er fest (Z.72-76).

Bei der Begrüßung bekommt man dann das Gefühl, auf einem Kasernenhof zu stehen, und nicht bei einem Wiedersehen von Vater und Sohn zuzusehen. Alles läuft nach einem bestimmten Ritual ab, selbst die Uhrzeiten sind ganz genau festgelegt: „Pünktlich zehn Minuten vor neun (...) stand der Junge in der Sonntagsuniform vor der Tür seines Vaters. Fünf Minuten vor neun kam Jaques in der grauen Livree die Treppe herunter“ (Z.

78-81). Der Junge muss in seiner Uniform strammstehen und sogar die Hacken zusammenschlagen (Z.85). Die Aufforderung des Vaters, es sich bequem zu machen (Z.90), läuft darauf hinaus, dass Carl Joseph sich starr hinsetzt, „die Knie steif angezogen und die Mütze mit den weißen Handschuhen auf den Knien“ (Z.92/93).

Klar ist zu erkennen, dass er sich in Gegenwart des Vaters unwohl, beobachtet und kontrolliert fühlt, aber versucht, den Idealen seines Vaters nachzukommen. Für diesen gehen nun die Rituale weiter: Nach einigen kurzen, obligatorischen Fragen (Z.98/99) leitet er die Prüfung ein. Als er sich eine Zigarette anzündet, bedeutet das „den Anbruch der Gemütlichkeit“ (Z.118); selbst das kann bei ihm also nicht so aus der Situation entstehen, sondern bedarf eines eigenen Signals. Bei den Fragen beharrt er pedantisch auf genau festgelegte Antworten: Bei einer Begriffsdefinition verbessert er sogar „.

.. und jeder Niedere“ in „...sowie auch jeder Niedere“ (Z.

147/148). An sich also Lappalien, die für den Vater jedoch unheimlich wichtig zu sein scheinen. Auffällig ist daneben, dass als eine Frage die Definition des Begriffes „Subordination“ (Z.144) gewählt wurde. Dem Leser wird so nochmals bewusst, dass der Vater vom Sohn eine Unterordnung verlangt, und zwar nicht nur den üblichen Respekt vor dem Vater, sondern eine beinahe militärische Pflicht des „unbedingten Gehorsams, (..

.) welchen jeder Untergebene seinem Vorgesetzten (...) zu leisten schuldig ist“ (Z.144-150).

In Trottas ganzem Denken und Handeln spürt man, dass er größten Wert auf Disziplin und vor allem Unterordnung legt. So entwickelt er für beinahe jede Lebenslage ein Ritual, das es einzuhalten gilt: Selbst das Essen stellt in der Familie eine „Zeremonie“ (Z.178) dar. Im Großen und Ganzen ist Trottas Leben also von einer Art Monotonie bestimmt, in der er sich nahezu vergräbt. Seine Rituale lassen in ihm nicht einmal den Gedanken an den Untergang seiner heilen Welt, also das sich zu dieser Zeit schon anbahnende Ende der k. und k.

Monarchie, aufkommen. Der Hauptzug des Sohnes liegt in der Begeisterungsfähigkeit für seine Heimat, für die Freiheit, eben für den Sommer; aber auch für die Idee, nach dem Idealbild des Kaisers zu leben und später einmal den Heldentod für ihn und zu Ehren der Habsburger zu sterben. Er leidet aber sichtlich unter dem zu starken Druck des Vaters, und vor allem die Prüfung wird zur Qual für ihn. Ansonsten hat er sich aber auf seine Heimat gefreut. Nach dem ersten Anzeichen für Daheimsein, dem Radetzkymarsch, fallen ihm vor allem beim Essen die gewohnten Dinge auf, „die Teller“ mit den „schmalen, verblassenden, blaugoldenen Streifen, (..

.) das Wandbildnis der verstorbenen Mutter (...) und der schwere, silberne Schöpflöffel und die Fischterrine und die Obstmesser mit den gezackten Rücken und die winzigen Kaffeetässchen und die gebrechlichen Löffelchen“ (Z.181-188).

Für ihn bedeuten diese Dinge sein Zuhause und dadurch die Lösung vom Druck in der harten Ausbildung. Auffällig ist in dieser Reihung, dass die verstorbene Mutter im gleichen Atemzug wie die Fischterrine und sogar noch nach dem Radetzkymarsch erwähnt wird. Das bedeutet wohl, dass die Mutter, an die er sich ohnehin nicht mehr erinnert (Z.185), mit der Heimat nicht mehr assoziiert wird als irgendwelche Haushaltsgegenstände und noch weniger als der Marsch. Diese Beobachtung unterstreicht den Wunsch des Jungen, später einmal als Held zu leben und zu sterben – natürlich nicht in Abhängigkiet von einer Frau. Auch die Frage des Vaters nach einer eventuellen Freundin (Z.

122) weist er peinlich berührt zurück. Er wüsste damit nichts anzufangen, da Frauen einfach nicht in seinem Weltbild vorkommen; sein ganzes Leben ist nur dem Kaiser gewidmet. Die Bindung zur gewohnten Heimat schafft Joseph Roth schon im zweiten Teil des ersten Abschnitts zu vermitteln, noch bevor die Rede auf Carl Joseph kommt. Er spricht hier nämlich über den Heimatort der Trottas, über die herrschende Stimmung und auch über einzelne Personen, die typisch für das ‚Sommerbild‘ zu sein scheinen. Die entspannende Erholung und Ruhe, die für den jungen Trotta so wichtig zu sein scheinen, bringt er dem Leser anhand des Bildes der „alten Kastanien“ (Z.42) näher, die sich „nur am Morgen und am Abend“ (Z.

43) bewegen, während sie tagsüber regungslos verharren (Z.44). Durch viele ausschmückende Adjektive und Verben schafft der Autor eine gewohnte, fast heimische Umgebung für den Leser: Er schreibt von den trillernden Lerchen (Z.47), von Fiakern, die ab und zu über das „holprige Kopfsteinpflaster“ rollen (Z.48), und von den trappelnden Hufen eines Zweigespanns (Z.49).

Er malt förmlich ein Bild des typischen Sommers – eine weiterer Beleg für den Vergleich mit der Kamera – mit ganz genauen Beschreibungen der Farben, der Formen und der Geräusche und lässt dabei beim Leser ein Gefühl der Heimat, der Gewohntheit, aufkommen. Ebenfalls zu der Person des alten Trotta führt er durch die Schaffung einer passenden Atmosphäre im Voraus hin. Durch die Beschreibung der Militärkapelle trifft er genau die Eigenschaften, die später dem Leser im Zusammenhang mit dem Vater wiederbegegnen sollen. Durch die Gleichheit der Märsche (Z.7) drückt Joseph Roth die auch im Leben Trottas herrschende Monotonie aus. Die Musik wird auch nicht einfach ‚gespielt‘, sondern mit schneidiger und heiterer Strenge exerziert (Z.

13/14), was die Forderung und das Verlangen Trottas nach Disziplin beweist. Durch die in Verbindung mit der Kapelle genannten Begriffe kommt die Stimmung noch mehr zum Ausdruck: Die Musiker stellen sich im „vorgeschriebenen Rund“ (Z.19) auf, der Dirigent tut seine Arbeit in „militärischer und musikalischer Gewissenhaftigkeit“ (Z.30). Die hier geschaffene Atmosphäre stimmt also genau mit der Lebenseinstellung der Hauptperson überein. Aber auch im Verlauf des Textes, vor allem während der Prüfung, verwendet der Autor bewusst militärische Phrasen, um die befremdliche Stimmung, die vom Vater ausgeht, zu unterstreichen: Die ganze Begegnung von Vater und Sohn, vom Warten über das Eintreten in den Raum bis zur Leistungskontrolle mit einem „Bücherzettel“ (Z.

128) und der Auswahl der Fragen hat eindeutig militärischen Charakter. Diese Formulierungen halten an, bis der Sohn ‚entlassen‘ wird. Dann schlägt das Vokabular sofort wieder in den heimatlichen, vertrauten Ton Carl Josephs um. Nach dieser eingehenden Betrachtung der Charaktere der Hauptpersonen, die in einigen Motiven, in der allgemeinen Gestaltung des Textes sowie auch speziell in den vom Autor verwendeten sprachlichen Mitteln wiederzufinden sind, kann man die Wesen von Vater und Sohn wie folgt gegenüberstellen: Der Vater, dem die Macht und der Glanz Österreichs das Wichtigste sind, ist der Meinung, durch feste Rituale, Regeln und eine streng eingehaltene Hierarchie die Machtposition seines Landes präsentieren und bewahren zu können. Er projiziert diese Einstellung auf die Erziehung seines Sohnes und auf sein ganzes Umfeld. Carl Joseph fühlt sich in dieser Atmosphäre jedoch sehr unwohl.

Er ist eher der freiheitsliebende und unabhängige Typ, der sich zwar aus hohem Respekt seinem Vater beugt, viel lieber jedoch seinen Träumen von seinen Vorfahren nachhängt. Er liebt seine Heimat, wohl aber nur deshalb, weil sie ihn während des Sommers von seiner harten militärischen Ausbildung – auch vom Vater initiiert – loslöst. Er träumt aber schon von seiner zukünftigen Freiheit, seinen Heldentaten und seinem Dienst für das Vaterland, der ihm Ehre und Ruhm einbringen soll. Eine altertümliche konservative Hochachtung des Kaisers, die in jeder Lebenssituation gezeigt wird, und der Traum von einer Heldenzukunft zu Ehren des Vaterlandes stehen sich hier also gegenüber.   Joseph Roth gelingt es in diesem zweiten Kapitel seines Romans, das Lebensgefühl zu vermitteln, das zur dieser Zeit, kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs und somit vor dem Niedergang des Hauses Habsburg, in Österreich anscheinend sehr weit verbreitet war. Der Kaiser und sein Militär, und selbstverständlich auch der hohe Adel stehen über allem und wurden von der Bevölkerung geachtet, verehrt und geliebt.

Seit langer Zeit herrscht im Kaiserreich ein Stolz auf das Vaterland; die Heimat bedeutet den Bürgern alles und man empfindet es als Ehre, sich Teil des Staates nennen zu dürfen. Das Verhalten der beiden Hauptpersonen sowie der im Textausschnitt beschriebenen Bürger zeigt dies ganz eindeutig: Vor allem die Abstammung vom Geschlecht der Habsburger zählt unter den Leuten viel, immerhin hat sich dieses Geschlecht im Laufe der Jahre zu einem der bedeutendsten Herrscherhäuser Europas hochgearbeitet. Ein Beispiel, wo dieser Sachverhalt im Romanausschnitt belegt wird, ist das Lebensziel Carl Josephs, für ‚seinen‘ Kaiser einmal auszurücken und den Heldentod sterben zu dürfen. Die Bevölkerung identifiziert sich also mit ‚ihrem‘ Land‚ ‚ihrem‘ Kaiser und ‚ihrer‘ Macht. Proportional zur Macht ist auch der Stolz und das Hochgefühl der Österreicher gewachsen, so dass sie letztendlich in ihrem Überschwang gar nicht mehr wahrnehmen wollen oder können, wie der Staat langsam zerfällt und sich auflöst. Dabei liegt der Beginn des Verfallsprozesses schon lange zurück; er startete eigentlich schon mit der Feindschaft der Habsburger mit dem Geschlecht der Hohenzollern um die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Seitdem machte das Herrschergeschlecht mehr und mehr Krisen durch, und die Gier nach Macht schwächt es immer weiter. Die Probleme werden größer, aber in ihrem Machtrausch realisieren die Österreicher das nicht mehr. Sie vertrauen voll und ganz dem Kaiser. Im Text erkennt man diesen unbedingten Glauben an die kaiserliche Macht im Umgang Trottas mit seinem Sohn. Er nimmt selbst Züge eines Alleinherrschers an und führt in der Erziehung des Sohnes militärische Regeln ein. Eine sehr passende Beschreibung jenes Verhaltens ist in Kindlers Literaturlexikon zu finden, wo diese Naivität als „rückwärts gewandte Utopie, die verklärende Sehnsucht nach der verlorenen Ursprünglichkeit, die die kritische Analyse des historischen Prozesses verweigert“ beschrieben wird.

Roth will in seinem Roman also am Beispiel der Familie Trotta die verherrlichte Idee einer starken Einheit Österreichs zeigen, „die [aber] schließlich nur noch so wenig in der Wirklichkeit begründet ist, dass die ironische Formulierung [des Autors] ‚einmal in der Woche war Österreich‘ nur scheinbar paradox ist“. Desweiteren lässt sich am Text sehr klar die hohe Stellung von Militär (als Vertretung des Kaisers) und Adel erkennen: Ein typisches Beispiel ist die Reaktion der Zuhörer auf den Radetzkymarsch (Z.35-40). Den Mädchen, denen bei den Marschklängen die jungen Soldaten in den Sinn kommen, bleibt vor Ehrfurcht fast der Atem weg. Sie haben eine unglaubliche Bewunderung für diese tapferen Männern, die für das Wohl des Landes ihr Leben riskieren. Männer erinnern sich an ihre eigene Soldatenzeit, an dieses Hochgefühl, dem Staat dienen zu können.

Die älteren Frauen hingegen, in dieser Gesellschaft augenscheinlich nicht viel wert, sitzen abseits im Park und werden mit ihren zitternden Köpfchen fast als lächerlich dargestellt. Sie können im Vergleich zu den Männern, die im Militär dem Vaterland dienen, nichts für die Entwicklung der Macht tun und werden abgeschoben. Carl Josephs Auffassung von Frauen kann somit als allgemein gültig bezeichnet werden. Ein weiterer Beweis für die unglaublich hohe Stellung des Militärwesens in dieser Zeit findet sich im Text während der Prüfung Carl Josephs: Als nämlich die Rede auf sein schlechtes Reiten kommt, bezeichnet der Vater dieses Unvermögen als eine große Schande (Z.106). Diese übertrieben wirkende Reaktion wird verständlich, wenn man bedenkt, dass es ja sozusagen eine Hinderung für den Dienst am Staat ausdrückt und somit die wichtigste Aufgabe eines Bürgers nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden kann.

Militärdienst geht wohl über alles und ist in der Gesellschaft gesetzliche, noch mehr aber moralische Verpflichtung. Somit ist es kein Wunder, wenn sich ein Vater, noch dazu der Vertreter des Kaisers, dafür schämt, wenn sein Sohn dem nicht richtig nachkommen kann. Neben Militär und natürlich dem Kaiser ist in dieser Gesellschaft auch noch der Adel von besonderer Bedeutung. Im Text wird diese Oberschicht von Herrn von Winternigg verkörpert. Sehr anschaulich beschreibt der Autor, wie abgehoben vom einfachen Volk dieser Mann eigentlich handelt und welche Sonderstellung er einnimmt. So wird er beispielsweise von sämtlichen Bewohnern gegrüßt, ohne auch nur Anstalten zu machen, den Gruß zu erwidern (Z.

60). Er „rollt geradewegs aus dem Bett zu seinem ländlichen Reichtum“ (Z.58) und lässt sich ebenfalls wie ein kleiner Kaiser zelebrieren. Es ist offensichtlich, dass in dieser königlichen und kaiserlichen Monarchie nahezu alles nach der Nützlichkeit für das Militär und somit für den Kaiser und den Staat gemessen wird. Sympathie erweist man nicht nach den inneren Werten eines Menschen, sondern nach seinem Stand in der gesellschaftlichen Rangordnung.   Bei der Betrachtung dieses Weltbildes im Bezug auf die nachfolgenden Ereignisse, nämlich dem Untergang der k.

und k. Monarchie, kann man sagen, dass die Abhängigkeit vom Kaiser und das volle Vertrauen in ihn sehr blauäugig und leichtfertig war. Wie sich später herausstellte, hat dieser, obwohl er wirklich alle Macht hatte, sein Amt ziemlich schleifen lassen. Trotz einiger Krisen blieb er nachlässig und verließ sich auf die Erfolge der Vergangenheit. Die Kontrolle über sein Reich entglitt ihm einfach; so wurde z..

B. 1913 bekannt, dass sich unter seinen Leuten seit über 10 Jahren ein russischer Spion, Oberst Alfred Redl, befand. Wenn der Kaiser in seiner Politik mit etwas mehr Umsicht und Kontrolle härter durchgegriffen und sich nicht auf seine bisher aufgebaute Macht verlassen hätte, wäre der Niedergang vielleicht nicht verhindert, jedoch sicher hinausgezögert worden. Quellen:   Kindlers Literaturlexikon: Joseph Roth – Radetzkymarsch (Kopie beigefügt)   Gerhard Herm: Glanz und Niedergang des Hauses Habsburg – ECON Verlag – 1989   Gordon A. Craig: Geschichte Europas 1815-1980 – Verlag C.H.

Beck – 1983   Friedrich Weissensteiner: Schicksalstage Österreichs – Ueberreuter – 1989   Microsoft®Encarta®99 Plus: Stichwortverzeichnis Erster Weltkrieg, Johann Strauß

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