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  Das museum

Das Museum   Jüdisches Museum Berlin Berlin (1992-1999), Lindenstrasse 9-14, Berlin- Kreuzberg Architekt: Daniel Libeskind     Die Entstehung   Das Gebäude des Jüdischen Museums sollte zunächst als eine Erweiterung des Berlin- Museums fungieren. Das Berlin- Museum entstand 1967 nach dem Berliner Mauerbau, als Ostberlins Märkisches Museum für die Westberliner nicht mehr zugänglich war. Das Museum zog in das Gebäude des Alten Kammergerichts an der Lindenstrasse. Diese Drei- Flügel- Anlage ist 1734/35 im Zuge der angeordneten West- und Süderweiterung der Friedrichstadt nach Entwürfen von Philipp Gerlach entstanden. Als „Kollegienhaus“ war es das erste ausschliesslich für Behörden errichtete Gebäude Berlins. In dem von Beginn an hier untergebrachten Kammergericht arbeitete 1814-1822 der Jurist, Schriftsteller und Komponist E.

T. A. Hoffmann. Bei dem schweren Luftangriff auf die Berliner Innenstadt am 3. Februar 1945 brannte das Haus aus. Die Ruine sollte 1957 einer geplanten Stadtautobahn weichen, wurde jedoch nach Abänderung der Pläne wieder aufgebaut und dient seit 1967 als Sitz des Berlin- Museums.

Im Jahr 1971 fand eine Ausstellung „Leistung und Schicksal“ auf Anregung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin im Berlin- Museum statt. Da entstand die Idee zur Neugründung eines Jüdischen Museums in Berlin. Diese Idee wurde zunächst in der Form einer „Jüdischen Abteilung“ des Berlin- Museums realisiert. Doch der Raum für die jüdischen Sammlungen erwies sich bald zu eng und wurde teilweise ausgelagert. Man entschloss sich eine Erweiterung des Berlin- Museums zu bauen und schrieb einen internationalen Architekturwettbewerb unter dem Namen „ Erweiterung Berlin- Museum mit Abteilung Jüdisches Museum“ aus. Ein weiteres Ziel des Wettbewerbs war die „kritische Rekonstruktion“ des historischen Stadtgrundrisses mit den Mitteln zeitgenössischer Architektur.

In dem Neubau des Berlin- Museums sollte vor allem die Darstellung der jüdischen Geschichte Berlins als integrierender Bestandteil der Stadtgeschichte Platz finden. Ein international besetztes Preisgericht wählte unter 165 eingereichten Entwürfen den von Daniel Libeskind aus. Libeskind präsentierte ein klares Konzept, das mit seiner Vergegenständlichung vielschichtiger, abstrakter Zusammenhänge mehr eine Verräumlichung von Geschichte als blosse Architektur darstellte (symbolische Architektur). Die Jury begründete ihre Ausführungsempfehlung an das Land Berlin vor allem mit der radikalen und innovativen Architektur sowie mit deren schlüssiger Interpretation des unauflöslichen Ineinanders von jüdischer und allgemeiner Stadtgeschichte.   Daniel Libeskind zu der Aufgabe des Baus eines Jüdischen Museums in Berlin:   „Die Aufgabe, ein Jüdisches Museum in Berlin zu bauen, verlangt mehr als eine rein funktionale Antwort auf das Programm. Solch eine Aufgabe in ihrer ganzen ethischen Tiefe erfordert, dass die Leere Berlins wieder in sich selbst integriert wird, um darzulegen, wie sich die Vergangenheit nach wie vor auf die Zukunft auswirkt und wie durch die Aporien der Zeit ein hoffnungsvoller Horizont erschlossen werden kann.

“     Während der Entstehungszeit ist das Projekt auf viele Probleme gestossen. Aus finanziellen Gründen mussten die Pläne von Daniel Libeskind mehrmals geändert werden um eine Kostenersparnis zu ermöglichen. Der Baubeginn verspätete sich deswegen um ein Jahr, entsprechend später wurden die Arbeiten beendet. Nebenbei gab es eine grosse Debatte um die endgültige Zuordnung des Jüdischen Museums. Am Anfang stand nur die Idee vom Erweiterungsbau des Berlin Museums. Der erste berufene Gründungsdirektor Amnon Barzel wollte jedoch von Beginn an die konsequente Unabhängigkeit, ein unabhängiges Jüdisches Museum, wie es schon vor dem 2.

Weltkrieg gab, das aber im Zuge des Pogroms (Reichskristallnacht) vom 9/10 November1938 von der Gestapo geschlossen wurde. Die städtische Verwaltung zeigte sich zu der Autonomie des Museums lange Zeit unwillig. Sie fürchtete um eingeführte Amtsprivilegien und Eitelkeiten. Barzel trat von seinem Amt zurück. Sein Fortgang erregte grosses internationales Aufsehen. Die Stadt beeilte sich einen überzeugenden Nachfolger zu finden.

Zu diesem ist W. M. Blumenthal berufen worden, ein Deutschland- Emigrant, ein amerikanischer Industrieller und ehemaliger US- Finanzminister. Im Sommer 1998 erreichte Blumenthal die uneingeschränkte Selbständigkeit des von ihm geleiteten Museums.       2. Der Architekt     Der Architekt des Jüdischen Museums ist der 1946 in Lodz (Polen) geborene Daniel Libeskind.


Zunächst studierte er Musik, vor allem in Israel. Später wechselte er das Fachgebiet und studierte Architektur in USA und Grossbritannien. Nach dem Architekturstudium und Lehrtätigkeiten an verschiedenen Architekturinstituten galt Libeskind bereits Mitte der 80er Jahre- neben Peter Eisenman, Frank O. Gehry, Zaha Hadid und lange, bevor einer seiner Entwürfe realisiert wurde- als Pionier der dekonstruktivistischen Architektur. Der Dekonstruktivismus misstraut den einfachen geometrischen Formen der bisherigen Baukunst und sucht sie aufzulösen. Es besteht ein ständiger Konflikt mit der Statik.

Der Betrachter wird durch den radikalen Traditionsbruch, der Schrägen anbietet, wo die Gewohnheit und die statische Routine die Senkrechte verlangen, irritiert. Das Konzept des Dekonstruktivismus ist stark am Bau des Jüdischen Museums Berlin nachweisbar. In Berlin und Brandenburg erhielt Daniel Libeskind, abgesehen vom Gebäude für das Jüdische Museum, bei Wettbewerben verschiedene Preise- unter anderem einen 1. Preis für das IBA- Projekt „Stadtkante“ 1987 und einen 2. Preis für den Entwurf zur Neugestaltung des Alexanderplatzes 1993. Libeskinds erstes fertiggestelltes Gebäude ist der 1998 eröffnete Erweiterungsbau des Kulturgeschichtlichen Museums Osnabrück, das Felix- Nussbaum- Haus.

1998 wurde er mit dem Erweiterungsbau zum Londoner Victoria & Albert Museum beauftragt. Seit 1994 ist Libeskind Professor für Architektur an der Universität von Los Angeles, Kalifornien (UCLA), und Mitglied der Akademie der Künste Berlin- Brandenburg. In Berlin unterhält er weiterhin ein Architekturbüro. Bei der Ausarbeitung des Projekts hatte Libeskind drei grundsätzliche Überlegungen. „Erstens ist es unmöglich, die Geschichte Berlins ohne den kulturellen, intellektuellen und wirtschaftlichen Beitrag jüdischer Bürger Berlins zu verstehen. Zweitens ist es notwendig, die Bedeutung des Holocaust in das Bewusstsein und die Erinnerung der Stadt Berlin physisch und spirituell zu integrieren.

Drittens, die Geschichte von Berlin und Europa kann nur dann eine menschliche Zukunft haben, wenn die Auslöschung jüdischen Lebens in Berlin und die hinterbliebene Leere nicht geleugnet werden, sondern ein Teil unseres Bewusstseins und Bestandteil der Architektur werden. Libeskinds Bauwerk besitzt eine vierfache geistige Struktur: „unsichtbar und irrational zusammengesetzter Stern, der im abwesenden Licht individueller Adressen leuchtet“ „der abgebrochene 2. Akt der Oper „Moses und Aron“, der seinen Höhepunkt in der nichtmusikalischen Erfüllung des Wortes den Höhepunkt erreicht“ „immer anwesende Dimension der deportierten und fehlenden Bürger Berlins“ Walter Benjamins städtische Apokalypse entlang der „ Einbahnstrasse“ (Zitate von Libeskind)   Libeskind sagte:   „ Das Gebäude ist ein Museum für alle Berliner, für alle Bürger dieser Stadt, nicht nur für die Gegenwart, sondern für die Zukunft, die vielleicht ihr Erbe und ihre Hoffnung an diesem Ort finden wird. Mit seiner speziellen Betonung auf die jüdische Dimension der Berliner Geschichte gibt das Gebäude einem gemeinsamen Schicksale eine Stimme, dem Widerspruch von Ordnung und Unordnung, von Gewähltem und Nichtgewähltem, von Gesprochenem und Unaussprechlichem.“ 3. Das Gebäude Architektur der Gedanken: Zeichen zwischen den Zeilen   Libeskind nannte sein Projekt für das Jüdische Museum „Between the Lines“, zwischen den Linien oder zwischen den Zeilen.

Er geht von zwei Linien aus: zwei Ströme von Gedanken- Organisation und Beziehung (two lines of thinking, organization and relationship). Es findet sich hier intensiver Umgang mit Bedeutung und Deutbarkeit von Zeichen. „Die eine Linie ist gerade, aber in viele Fragmente zersplittert, die andere Linie windet sich, setzt sich jedoch unendlich fort... sie fallen auch auseinander, lösen sich voneinander und werden als getrennt gesehen.

Auf diese Weise decken sie eine Leere auf...“ (Libeskind) Der Grundriss zeigt eine neunfach gebrochene Doppellinie, eine Zick- Zack- Figur, die man emblematisch als einen aufgespalteten Davidstern deuten kann. Diese zick-zack-förmige Linie bestimmt die Form des Baukörpers und steht symbolisch für den Verlauf der Geschichte, die mehr in Windungen als geradlinig verläuft. Die Zick- Zack- Linie wird in der Längsachse von einer mehrfach gebrochenen Geraden durchschnitten.

Diese Gerade besteht aus sich vom Untergeschoss bis zum Dach erstreckenden Leerräumen, den „voids“. Diese sollen das Gebäude in seiner kontinuierlichen Abfolge strukturieren und den ausladenden Windungen des Gebäudes als Rückgrat dienen. Symbolisch stehen sie für all das, was in der sich fortsetzenden jüdischen Geschichte durch den Krieg und den Holocaust verloren gegangen ist und deshalb nicht mehr gezeigt werden kann. Von aussen haben der Altbau des Berlin Museums und der Neubau des Jüdischen Museums keine Verbindung, sie scheinen autonom voneinander dazustehen und trotzdem ist der ursprüngliche Auftrag, einen Erweiterungsbau zum Berlin Museum herzustellen erfüllt worden. Das Berliner Jüdische Museum hat keinen von aussen sichtbaren Eingang. Das Publikum muss das Gebäude vom Berlin- Museum her betreten.

Dadurch ist nicht nur die Verbindung zwischen den beiden Gebäuden realisiert worden, sondern auch eine Verbindung zwischen jüdischer und Berliner Stadtgeschichte. Man kann beide, wie die Gebäude, getrennt voneinander beobachten. Nach aussen hin erscheinen die jüdische Geschichte und die Berliner Geschichte unabhängig, wenn man jedoch nach innen geht und sich tiefer mit der Geschichte auseinandersetzt, realisiert man, dass beide sich gegenseitig stark beeinflussen. Die Berliner Geschichte ist ohne die jüdische undenkbar, so wie die jüdische ohne die Stadtgeschichte Berlins. Die Besucher werden durch den Eingang im Berlin- Museum in das Untergeschoss geführt. Der mächtige Treppenhauskörper greift in das Barockgebäude hinein.

Das symbolisiert die Verschränkung von Altem und Neuem. Man kann nicht auf das Alte zurückblicken, ohne das Neue in Betracht zu ziehen, und andersherum. Die Stufen des Eingangs führen in einen Gang, der Stadtgeschichte und jüdische Geschichte miteinander verbindet. Das Untergeschoss besteht aus drei Achsen, der Haupterschliessungsachse (The Axis of Continuation), der Achse des Exils (The Axis of Exile) und der Achse der Vernichtung ( The Axis of Destruction). Durch die Haupterschliessungachse stösst man auf Räume, in denen ein Forschungs- und Lernzentrum entstehen soll. Gleich neben diesen Räumen kreuzen sich zwei Gänge, die Achse des Exils, die in den E.

T.A. Hoffmann- Garten führt und die Achse der Vernichtung, die als eine Sackgasse im Holocaust- Turm endet. Dies geschieht nicht im dem Auge gewohnten rechten Winkel. Ihr Boden steigt etwas steiler an, während die Deckenhöhe gleich bleibt. Einer dieser Gänge führt durch eine Glastür nach Draussen, ins Helle, Freie, in den abgesenkten E.

T. A.- Hoffmann- Garten, den „Garten des Exils“. Es ist der einzige Weg, der von hier unten ins Freie führt- Exil als einziger Ausweg. „Der upside down- Garten ( der Garten des Exils und der Emigration) stellt ein Pfeilerfeld aus 7x7 geneigten, rechteckigen Pfeilern dar. Die Pfeiler sind mit Erde gefüllt und an ein unterirdisches Bewässerungssysten angeschlossen, so dass Weiden daraus wachsen und sich oben verbinden können“ (Libeskind).

Man kann zwischen ihnen umher gehen. Der Grund, auf dem die Pfeiler stehen, ist leicht angeschrägt, so dass man auf ihm gehend, den falschen Eindruck erhält, die Pfeiler stünden lotrecht. Es entsteht eine unsichere, für manche Besucher schwer erträgliche Situation. Die Neigung der Pfeiler und der geneigte Untergrund machen schwindlig, die umstehenden Gebäude geraten ins Wanken. Was steht, was fällt, scheint ungewiss, der Sinn für Orientierung scheint verloren gegangen zu sein. Diese Empfindungen sollen Assoziationen erwecken, wie sich jüdische Emigranten im Ausland gefühlt haben; dass es nicht immer einfach war, in einem fremden Land Fuss zu fassen.

Der Hoffmann- Garten enthält noch eine weitere symbolische Eigenschaft. Libeskind formuliert: „48 dieser Pfeiler sind mit Erde aus Berlin gefüllt und stehen für 1948- die Gründung des Staates Israel. Der zentrale Pfeiler enthält Erde aus Jerusalem und steht für Berlin selbst.“ Die Verschmelzung von deutsch- jüdischer Geschichte wird wieder betont. Der andere Gang endet als Sackgasse im Dunkel des Holocaust- Turmes. Es ist der Weg in die Vernichtung.

Sie wird wiedergegeben durch einen leeren Raum, den Libeskind „the voided void“ (die leere Leere) nennt. Betonener Fussboden, betonene Wände. Der Raum ist sehr hoch, hat einen fünfeckigen Grundriss, der auf eine Spitze zuläuft. Der Raum hat keine Fenster, bloss im obersten Abschnitt der Spitze, einen schmalen Spalt zur Aussenwelt hin, durch den Licht einfallen kann. Der Lichtspalt lässt nicht besonders viel Licht hinein, der Raum kann nie vollständig beleuchtet werden. Die Lichtverhältnisse wechseln entsprechend der Tages- und der Jahreszeit.

Die Eingangstür wirkt unscheinbar. Sie scheint ein Verlassen des Raumes zu verweigern. In einer Ecke hängt an der Wand eine metallene Leiter, zu hoch, unerreichbar. Sie ist ein sinnloser technischer Notbehelf, ein Gleichnis für vergebliche Anstrengungen zur Flucht. Ausser dem Licht dringen von draussen Geräusche ein, Verkehrslärm, Schritte, Stimmen von Erwachsenen, von spielenden Kindern: alles sehr deutlich und gleichzeitig so weit fort. Es ist ein Denk- und Erinnerungsraum und entspricht in seiner Form jeweils den voids.

Als ich eine Führung durch das Museum gemacht habe, habe ich die Eindrücke notiert, welche die Besucher des Museums aus dem Raum mitbringen: isoliert, nackt, unter der Erde, ein Verlangen zu fliehen, kein Verlangen sich zu bewegen oder zu reden. Auch meine Erfahrungen in diesem Raum waren nicht viel anders. Eine trostlose Atmosphäre entsteht beim Betreten des Raumes, alle Gespräche erlöschen und das Gefühl von Bedrücktheit bahnt sich an, ich fühlte große Unbehaglichkeit und Isoliertheit. Es scheint so, als ob man völlig von der Welt abgeschieden und vergessen wäre. Schon nach wenigen Sekunden war das Gefühl von Verlassenheit und Ausweglosigkeit so gewaltig, das ich den Raum verlassen musste. Niemand von den Besuchern hat es länger als zwei Minuten in dem Raum ausgehalten.

Der Raum ist, wie er ist: riesig, eng, abgetrennt, endgültig, kahl. Es gibt keine ästhetische Entsprechung für den Holocaust, den man auch in keiner Weise nacherleben kann. Dieser Raum versucht jedoch die Grausamkeit des Geschehenen mitzuteilen und dient als eine Gedenkstätte. Die Haupterschliessungsachse führt über eine Freitreppe in die Ausstellungsräume in den oberen Etagen. Diese Treppe symbolisiert einen möglichen Weg für eine gemeinsame Zukunft von jüdischer und deutscher Geschichte. Sie steigt steil an, erscheint unheimlich lang, von unten betrachtend ist das Ende der Treppe nicht zu sehen.

Zwischen der Treppe und der Decke befinden sich Querbalken, die jedoch nicht gewöhnlich waagerecht gelagert sind, sondern wie Messer aus allen Winkeln in das Gebäude hineingestossen werden. Die steilen Stufen und die bedrohlichen Balken symbolisieren mögliche Gefahren, die den Weg in die Zukunft bedrohen können. Die Treppe zieht sich geradlinig über zwei Stockwerke hin. Nach dem Erreichen des zweiten Stockwerks gibt es noch acht weitere Stufen, die keine praktische Funktion haben, sondern in einer weissen Wand enden. Diese Stufen sind ein Ausdruck der Möglichkeit. Man kann die Treppe gedanklich hinter der Wand weiterführen und somit eine Zukunft für deutsch- jüdisches Zusammenleben darstellen.

Die weisse Wand steht in diesem Zusammenhang als ein Fragezeichen für das, wie diese gemeinsame Zukunft aussehen wird. In die Anzahl von acht Stufen kann eine Interpretation hineingelegt werden. Die sieben ist eine heilige Zahl in der Theologie. Sieben ist die Anzahl der Tage, an denen die Welt geschaffen wurde. Der achte Tag (die achte Stufe) ist dann sozusagen der Beginn der zweiten Woche und somit im übertragendem Sinne die Zukunft. Die Ausstellungsräume befinden sich auf drei Etagen.

Es existiert noch ein Dachgeschoss, wo sich die Büroräume befinden. Alle Geschosse, vom Untergeschoss abgesehen, haben den gleichen Schnitt. Sie ähneln einander auch in ihrer labyrinthischen Struktur. Die unterschiedlichen Höhen der einzelnen Stockwerke und die jeweils abweichenden Anordnungen der Fenster schaffen deutliche Unterschiede. Die Fenster wurden in die von aussen erkennbaren Kerben eingepasst. „Sie sind die physische Manifestation einer Matrix von Verbindungen, die den Ort durchdringen.

Diese Schnitte sind die tatsächlichen topographischen Linien, welche die Wohnorte Deutscher und Juden in unmittelbarer Umgebung des Ortes miteinander verbinden und nach aussen strahlen. Die Fenster stellen die ‚von den Wänden des Museums selbst geschriebenen Adressen‘ dar“. (Libeskind)                 Der Aussenaspekt     Libeskinds Beschäftigung mit der Linie setzt sich im Gebäude überall fort, ob in den Fenstern, der Struktur der Räume, den Mustern auf den Decken oder Draussen in den Gartenanlagen oder steinernen Wegen. Von der Kreuzberger Lindenstrasse her ist das Jüdische Museum ein die Traufhöhe aller benachbarten Gebäude beträchtlich überragender Baukörper von ungewohnter und beunruhigender Monumentalität. Das barocke Gebäude des Kammergerichts steht unscheinbar daneben. Die Aussenwände des Museums sind mit Zinkblech verkleidet.

Die Abwesenheit von dem Auge gewohnten Türen und Fenstern vermittelt den Eindruck einer bedrohlichen Isolation und Abgeschlossenheit. Das Gebäude steht in einer Gartenanlage. Über das Grün führen steinerne Wege, auf denen manchmal geformte Asphaltdecken kleben. Sie haben die zerfetzten Umrisse der Scharten in den Wänden. In den Rasen sind rechteckige Felder eingelassen, angefüllt mit Schotter, welche die Assoziation zu Grabfeldern erwecken. Es existieren Durchgänge, die keinen Zweck als sich selbst haben, eine Treppe, die ins Nichts führt.

Man kann sie als Symbole für Ziel- und Ausweglosigkeit sehen. Der grössere von den zwei Höfen ist nach dem jüdischen Poet Paul Celan benannt und erinnert in seinen Abmessungen an einen Berliner Hinterhof. Das Muster des Naturstein- Bodenreliefs ist aus einer Graphik von Gisele Celan- Lestrange, der Witwe des Dichters entwickelt. Paul Celan lebte und arbeitete lange Zeit in Berlin. Libeskind fügt wieder ein Element von Verbundenheit deutsch- jüdischer Geschichte ein. Obwohl der Baukörper eine sehr ungewöhnliche Form besitzt, steht er mit der Umgebung im Einklang.

Libeskind bezeichnet diese Strategie der unangepassten Ergänzung als ‚heterogene Ordnung‘. Es ist leicht nachzuvollziehen, was damit gemeint ist. Der ganze Standort ist geprägt von einer beziehungslosen Vielfalt von Architekturen unterschiedlicher Stile. Schlüge das Museum in diesem Durcheinander der Stile auf die Seite des einen oder anderen Nachbarn, würde kein einheitlicher Zusammenhang geschaffen, sondern nur die vorhandene Unordnung bekräftigt. Deswegen führt Libeskind eine kräftige, eigenständige neue Stimme in die Umgebung ein und schafft eine neue Ordnung.                                

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