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  Die deutsche exilliteratur

Die deutsche Exilliteratur  Der Begriff „Emigrantenliteratur“ stammt von Georg Brandes, der ihn 1872 für die Werke der im Zuge der Französischen Revolution nach 1789 aus Frankreich geflohenen Schriftsteller benutzte. Exilliteratur ist oft politisch engagiert; doch sind selbst Werke ohne aktuelle Bezüge von der Exilerfahrung des Autors geprägt, für die das Gefühl äußerer Bedrohung und innerer Isolation charakteristisch ist. Nach dem Reichstagsbrand und den Bücherverbrennungen von 1933 erkannten viele Schriftsteller und Künstler die drohende Gefahr, und sie nahmen Emigration und Exil auf sich. Wichtige Exilländer waren zunächst Frankreich, die Niederlande, die Tschechoslowakei, die UdSSR, Österreich, die Schweiz und Dänemark, später auch die USA und Mexiko.   Neben den allgemeinen wirtschaftlichen Problemen der Exilanten ergaben sich für Schriftsteller zusätzliche Schwierigkeiten, da die fremde Sprachumgebung die erfolgreiche Fortsetzung der Arbeit hinderte und auch die Rezeptionsbedingungen erschwert waren. Um den gegen den Nationalsozialismus eingestellten oppositionellen Schriftstellern Publikationsorgane zu schaffen, wurden bereits im Herbst 1933 die „Neuen Deutschen Blätter“ (Prag), „Die Sammlung“ (Amsterdam) und „Die neue Weltbühne“ herausgegeben, ab 1936 erschien „Das Wort“ (Moskau).

  Bei vielen Schriftstellern fiel dabei die literarische Produktion deutlich in rein ästhetische und politische Zweckformen auseinander. Vor allem Bertolt Brecht jedoch verschmolz in seinen Arbeiten aus dieser Zeit Literatur und Politik. Als Gegner Hitlers ging Brecht am Tag nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 über Prag und Wien in die Emigration. Zunächst lebte Brecht in der Schweiz und traf sich mit Heinrich und Thomas Mann sowie mit Feuchtwanger, Ernst Toller und Arnold Zweig in Sanary-sur-Mer. Im Dezember 1933 ließ er sich in Dänemark nieder, wo er mit Unterbrechungen bis 1939 lebte. Nach einer Reise in die Sowjetunion 1935 wurde er offiziell von den Nationalsozialisten ausgebürgert.

Über Schweden, Finnland und die Sowjetunion gelangte Brecht 1941 schließlich nach Kalifornien, wo er, in der Nähe von Hollywood lebend, u. a. mit Aldous Huxley, Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno, Wystan Hugh Auden und Alfred Döblin zusammentraf. Eine Freundschaft verband ihn zudem mit Charlie Chaplin. In Kalifornien blieb Brecht bis 1947.

In den Jahren des Exils arbeitete er bei verschiedenen Emigrantenzeitschriften mit, darunter Die Sammlung (Amsterdam) und Die neue Weltbühne (Prag); auch entstand ein großer Teil seiner wichtigsten Werke, darunter Leben des Galilei (1938-1939), das Antikriegsstück Mutter Courage und ihre Kinder (1938/39), das so genannte „Volksstück“ Herr Puntila und sein Knecht Matti (1940), sowie die Parabelstücke Der gute Mensch von Sezuan (1943) und Der Kaukasische Kreidekreis (1944/45). Das Leben des Galilei, das zwei Weltmodelle – das der Kirche und das des Galileo Galilei – aufeinander prallen lässt, kam 1947 mit Charles Laughton in der Titelrolle in Beverly Hills zur Uraufführung. Mutter Courage schildert an Hand der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges die vernichtenden Konsequenzen der politischen Machtstrukturen und Herrschaftsverhältnisse für das Leben der „kleinen Leute“. Mit Hitler setzte sich Brecht u. a. in Furcht und Elend des Dritten Reiches (1935/1938) [Hier zeigte er , wie der Faschismus in alle Lebensbereiche eindrang und jede Form des Zusammenlebens auf Dauer zerstörte]und in Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui (1941) [Brecht verlegt hier den Aufstieg der Nationalsozialisten ins Gangstermilieu Chicagos ] auseinander.

In letzterem werden clowneske Slapstick-Elemente tragend, die an Chaplins Der große Diktator von 1940 gemahnen und Hitler „der Lächerlichkeit preisgeben“ sollten. Der Exilroman: Die dominierende Gattung während der Exilzeit war der Roman, der sich keineswegs nur mit den konketen Problemen der Exilanten beschäftigte, wie das etwa in Transit (1939/41) von Anna Seghers (1900-1983) geschah. Aufgrund der vordringlichen Wirkungsabsicht verzichtete man dabei auf avantgardistische Experimente, der Inhalt stand im Vordergrund. Seghers, Anna, eigentlich Netty Reiling, verheiratete Radványi. Bekannt wurde sie durch ihren später auch erfolgreich verfilmten (antifaschistischen) Roman Das siebte Kreuz (1942). Anna Seghers wurde am 19.

 November 1900 in Mainz geboren. Sie entstammte dem jüdischen Bürgertum. Sie studierte in Köln und Heidelberg Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie und schloß 1924 mit einer Promotion über Jude und Judentum im Werk Rembrandts ab. (Rembrandts Zeitgenossen Hercules Pieterzoon Seghers, einem Landschaftsmaler und Radierer, entlieh sie später ihr Pseudonym). Mit dem in der Frankfurter Zeitung vorabgedruckten Erzähldebüt Grubetsch (1927) machte sie die Auflehnung gegen das soziale Los des Proletariers zu ihrem Thema. Auch die Novelle Der Aufstand der Fischer von St.


 Barbara (1928), für den sie den renommierten Kleist-Preis erhielt, nahm entschieden Partei gegen soziale Unterdrückung und Ungerechtigkeit; das Buch wurde 1934 von Erwin Piscator in der Sowjetunion verfilmt. 1928 trat Seghers der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), 1929 dann dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller bei. Während dieser Zeit erschienen u. a. die Erzählung Auf dem Weg zur amerikanischen Botschaft (1930) und der Roman Die Gefährten (1932). Nach der Machtergreifung Hitlers1933 kurzzeitig inhaftiert, floh Seghers noch im gleichen Jahr über die Schweiz, Frankreich und Spanien nach Mexiko.

Während ihrer Exilzeit wurde die Autorin Beiträger der in Prag erscheinenden Neuen Deutschen Blätter. Der Roman Der Kopflohn (1933) beschreibt den Einbruch der faschistischen Ideologie in eine dörfliche Gemeinschaft. Das Schicksal von Exilanten schildert eindringlich Transit (englisch 1944, deutsch 1948). 1947 kehrte Seghers nach Ost-Berlin zurück und wurde 1949 Staatsbürgerin der DDR. In ihren Romanen beleuchtet Seghers Aspekte der Zeitgeschichte aus sozialistischer Perspektive, so etwa im Roman Der Weg durch den Februar (1935), welcher den sozialistischen Aufstand in Wien 1934 thematisiert. International bekannt wurde sie mit Das siebte Kreuz , Roman aus Hitlerdeutschland (1942) über die abenteuerliche Flucht von sieben KZ-Häftlingen, die alle bis auf einen wieder gefangen genommen werden.

[ Im Roman geraten die vom Lagerkommandanten zur Abschreckung aufgestellten Kreuze – allen voran das siebte – zu Symbolen des Widerstands: „ein entkommener Flüchtling, das ist immer etwas, das wühlt immer auf. Das ist immer ein Zweifel an ihrer Allmacht. Eine Bresche.“ ] Weitere Werke sind Der letzte Weg des Koloman Wallisch (1936), Die Entscheidung (1959), Das Vertrauen (1968), Die Kraft der Schwachen (1965), Das wirkliche Blau (1967) und Überfahrt (1971).   Zweig, Stefan (1881-1942), österreichischer Schriftsteller. Nach Anfängen in der Tradition der Wiener Moderne schuf er ein psychologisch differenziertes Werk, das ihn als einen der letzten großen Realisten der deutschsprachigen Literatur ausweist.

Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und besuchte die dortige Universität, wo er Philosophie, Romanistik und Germanistik studierte. Darüber hinaus unternahm er zahlreiche Reisen, die ihn durch Europa, Indien, Nordafrika sowie durch Nord- und Südamerika führten. Während des 1. Weltkriegs war Zweig gemeinsam mit Robert Müller und Rainer Maria Rilke Mitarbeiter des österreichischen Kriegspressehauptquartiers (KPQ), einer Zensurbehörde. Als Jude war Zweig 1934 gezwungen, nach England zu fliehen.

1938 erschien sein Roman Ungeduld des Herzens, der von einer behinderten Frau erzählt, die am verlogenen Rollendenken ihres Geliebten, eines Militärs, zerbricht. 1940 emigrierte Zweig in die USA, ein Jahr später weiter nach Brasilien. Hier nahm er sich, vereinsamt und resigniert, im brasilianischen Petrópolis in der Nähe von Rio de Janeiro gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte, geborene Altmann, am 23. Februar 1942 das Leben. Zu Zweigs Spätwerk gehören die stark erzählerischen Romanbiographien Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam (1934), Marie Antoinette (1932) und Maria Stuart (1935). 1941 erschien mit der psychologischen Schachnovelle Zweigs wohl bekanntestes Werk [ die Geschichte eines genialen Spielers, der in der Gefangenschaft Schach erlernt, sich in einer entscheidenden Phase aber einem eher grobschlächtigen Gegner ergeben muß ].

Zweigs nostalgische Autobiographie Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers wurde 1942 posthum herausgegeben.   Besonders häufig gestalten Exilschriftsteller historische Stoffe – vorallem in der Absicht, aus vergangenen Epochen positive Gegenmodelle zur gegenwärtigen Misere zu gewinnen. Hier wäre z.B. der (historische) Roman Die Vollendung des Königs Henri Quatre von Heinrich Mann (1871-1950) zu nennen.

[ 1.Teil: Die Jugend des Königs Henri Quatre: Der Roman entwirft ein breit ausgeführtes Geschichtsbild Frankreichs im 16.Jahrhundert. König Heinrich IV. wird dabei als sozialpolitisch vorbildlicher Staatsmann geschildert, der von tiefem Verständnis für menschliche Gebrechlichkeit und von praktisch-nüchterner Vernunft getragen ist und jedweden, besonders aber den religiösen Fanatismus bekämpft ]   Doktor Faustus von Thomas Mann (1875-1955) – Das vorwiegend im Exil entstandene Werk enthält die fingierte Biographie des Komponisten Adrian Leverkühn, die sein bildungsbürgerlicher Freund Serenus Zeitblom in den Jahren 1943-1945 niederschrieb. Die Geschichte Leverkühns spiegelt sich so in der Epoche, in der sie entsteht: es ist die Endphase des Nationalsozialismus [ Leverkühns an Nietzsches Biographie orientierte Krankengeschichte – Syphilis und zunehmende geistige Paralyse – geht mit einem letzten großen Schffensrausch einher: Er wird zum Erfinder der Zwölftontechnik, die in Wirklichkeit Arnold Schönberg entwickelt hat ] .

Im Mittelpunkt des Romans steht Leverkühns in der Phantasie erlebte Begegnung mit dem Teufel. Mit zunehmender Geisteskrankheit fühlt er sich immer mehr als Doktor Faustus . Thomas Mann spielt damit auf die ideologische Ausbeutung des Begriffs vom faustischen Wesen an, der schließlich zur Rechtfertigung jeder Art von Entgrenzung bis hin zu Eroberungskriegen und Völkermord mißbraucht wurde [ Der Teufel will Leverkühn, der in künstlerischer Sterilität zu versanden droht, den Zugang zu menschlichen Grenzerfahrungen verschaffen, die seine Kreativität neu beflügeln sollen: Aufschwünge liefern wir und Erleuchtung, Erfahrung von Enthobenheit und Entfesselung, von Freiheit, Sicherheit, Leichtigkeit, Macht- und Triumpfgefühl ] Klaus Mann (1906-1949) war eine der wichtigsten Gestalten der deutschen Exilliteratur. Mit seinem Roman Mephisto (1936) schuf er eine faustische Parabel über das Verhältnis von Macht und Unterwerfung zur Zeit des Nationalsozialismus. Klaus Mann wurde am 18. November 1906 als ältester Sohn Thomas Manns in München geboren.

Seine unter dem Zwang ständiger Profilierung gegenüber dem Dichter-Vater seit dem achten Lebensjahr rasant ansteigende Literaturproduktion zeitigte 1924 durch Veröffentlichungen in Zeitschriften erste Erfolge. 1925 übersiedelte Mann nach Berlin und arbeitete anschließend als Theaterkritiker. Darüber hinaus war er gemeinsam mit seiner Schwester Erika Mann und deren Ehemann Gustaf Gründgens Mitglied einer Theatertruppe. 1926 publizierte Mann die autobiographisch gefärbte, dem Impressionismus um Rainer Maria Rilke und Hermann Bang verpflichtete Erzählung Kindernovelle. Hierin setzte er sich – wie später in Kind dieser Zeit (1932) – mit seinem bürgerlichen Elternhaus auseinander. 1929 unternahm der Autor als Vertreter der Boheme (Drogenkonsum, extravaganter Lebensstil) gemeinsam mit Erika seine erste Weltreise; im März 1933 mußte er über Paris nach Amsterdam fliehen und nahm somit am „Massen-Exodus der Dichter“ teil.

Im selben Jahr rief er mit Gottfried Benn eine Leitfigur seiner Jugendjahre auf, sich eindeutig vom nationalsozialistischen Regime zu distanzieren und richtete am 19. Mai 1933 eine kämpferische Rundfunkrede An die literarischen Emigranten. Von Amsterdam aus gab Mann die radikal antifaschistische Exilzeitschrift Die Sammlung (1933-1935) heraus, in der er für einen Humanismus mit liberal-sozialistischem Antlitz plädierte. 1934 wurde er offiziell ausgebürgert. 1935 erschien der Roman Symphonie pathétique, in dem sich Mann auch mit der eigenen Homosexualität auseinandersetzte. 1936 übersiedelte Mann in die USA, wo er die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm.

Im selben Jahr erschien sein populärstes Buch, Mephisto, Roman einer Karriere, das über die Figur des Schauspielers und Intendanten Hendrik Höfgen u. a. mit dem im Dritten Reich weiterhin erfolgreichen Gründgens abrechnet. Auch wenn sich zahlreiche Personen – so Hermann Göring, Joseph Goebbels, Herbert Ihring und Hanns Johst – hinter ihrer fiktiven Maske erkennen lassen, wollte Mann den Roman auch als repräsentatives, vom Persönlichen abstrahierendes Zeitpanorama eines „durchaus komödiantischen, zutiefst unwahren, unwirklichen Regimes“ verstanden wissen. Dementsprechend standen im Mittelpunkt des Romans weniger konkrete Individuen als vielmehr Charaktertypen. 1938 berichtete Mann vom Spanischen Bürgerkrieg.

1939 kam mit Der Vulkan. Roman unter Emigranten ein wiederum autobiographisch gefärbtes Werk des Autors heraus. Hierin avanciert der Vulkan mit seinem „apokalyptischen Grollen“ zum Symbol des eruptiv sich von Deutschland her ausbreitenden, jegliche Individualität erstickenden Faschismus. Gleichzeitig wird die dichterische Existenz einer inneren Emigration zugunsten eines engagierten Daseins im Exil abgewertet. Am 21. Mai 1949 beging er, wohl enttäuscht über die Entwicklung des besetzten Deutschland im Kontext des Kalten Krieges, in Cannes Selbstmord.

In einem Nachruf bemerkte sein Onkel Heinrich Mann treffend, sein Neffe sei „von dieser Epoche getötet“ worden. Posthum kam 1952 Klaus Manns Autobiographie Der Wendepunkt heraus. Weitere Werke Manns sind Der fromme Tanz (1926), Alexander (1929), Treffpunkt im Unendlichen (1932) und Flucht in den Norden (1934) sowie der Essay Heute und Morgen, Zur Situation des jungen geistigen Europas (1927).  

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