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  Theodor fontane

Theodor Fontane Theodor Fontane wird am 30. Dezember 1819 in Neuruppin, einer kleinen märkischen Stadt nordwestlich von Berlin, geboren. Seine Eltern, Louis Henri Fontane und Emilie Labry, stammen von Hugenotten ab, die Ende des 17. Jahrhunderts Frankreich wegen ihres Glaubens verlassen mussten und in Brandenburg Zuflucht fanden. Sie taufen ihren ersten Sohn »Henri Théodore«; ins Kirchenbuch wird er zugleich als »Heinrich Theodor« eingetragen, und der zweite Vorname wird zum Rufnamen. Den Stolz auf die hugenottische Familientradition wird auch der spätere Schriftsteller bewahren, der seinen Namen, im Gegensatz zur heutigen Gewohnheit, französisch (also ohne Endungs-e) ausspricht.

Fontanes Vater Louis Henri besitzt die Neuruppiner »Löwen-Apotheke« in Fontanes Geburtshaus. Das Geschäft geht jedoch nicht sehr gut, und als Fontanes Geschwister Rudolf, Jenny und Max geboren werden, wird die finanzielle Lage so prekär, dass der Vater die Apotheke im Jahr 1826 verkauft und mit der Familie nach Swinemünde an der Odermündung übersiedelt. Da die Mutter dagegen ist, dass Theodor die Swinemünder Stadtschule besucht, wird er zu Hause von den Eltern, später von Privatlehrern unterrichtet. 1832 besucht er kurze Zeit ein Gymnasium, doch der Vater gibt ihn noch vor Ende des ersten Schuljahrs in eine Berliner Realschule und lässt ihn bei seinem Halbbruder August und dessen Frau Philippine, genannt »Tante Pinchen« wohnen. Voll Bedauern über seine bruchstückhafte Schulbildung wird Fontane viele Jahre später schreiben: »Das berühmte Wort vom 'Stückwerk' traf auf Lebenszeit buchstäblich und in besonderer Weise auf mich zu«. Nach dem Ende der Schulzeit wählt Fontane den Beruf des Vaters und wird Apotheker.

An professionelle Schriftstellerei denkt er noch lange nicht; seine literarische Produktion erstreckt sich auf wenige Gedichte und Aufsätze über historische Themen. Die Apothekerlehre kommt seinen literarischen Ambitionen zugute, und zwar aus zwei Gründen: Erstens lassen sich beim monotonen und langwierigen Anrühren der Rezepturen recht gut Gedichte und sogar kleinere Prosastücke verfassen, die er dann in seiner Freizeit zu Papier bringt. Zweitens unterhält der Apotheker, wie es damals nicht selten war, einen Lesezirkel: Neuerscheinungen des Buchmarkts und vor allem Zeitschriften liegen in seiner Apotheke aus. Am interessantesten für den jungen Fontane ist die von Karl Gutzkow herausgegebene Zeitschrift Der Telegraph für Deutschland, eines der wichtigsten Organe des »Jungen Deutschland«. Während der Lehrzeit entstehen die Dichtung Heinrichs IV. erste Liebe und die Erzählungen Du hast recht getan und Geschwisterliebe.

Nur die letztere ist überliefert, denn sie wird im Berliner Figaro in Fortsetzungen abgedruckt ­ damit wird Theodor Fontane im Jahr 1839 nicht nur fertiger Apothekergehilfe, der Zwanzigjährige ist auch zum ersten Mal als Schriftsteller öffentlich in Erscheinung getreten. Im September 1840 verlässt Fontane Berlin und setzt seine Apothekerausbildung in Burg bei Magdeburg fort; 1841 zieht er nach Leipzig weiter. Die Apotheke fungiert nebenbei als eine regelrechte Bibliothek, der Inhalt der Zeitschriften ist ungewohnt: Sachsen besitzt im Gegensatz zu Preußen seit 1831 eine Verfassung, und die Zensur ist weniger streng. Fontane kommt in Leipzig mit Menschen in Kontakt, die als Demokraten eine damals radikale politische Linie verfechten. Sein immer stärker werdendes Interesse für England verbindet sich mit seiner Begeisterung für demokratisches Gedankengut, und er übersetzt einige revolutionäre englische Arbeitergedichte. Für sein eigenes dichterisches Schaffen wird ihm der Vormärz-Literat Georg Herwegh zum Vorbild; und als er schließlich Zutritt zum Leipziger Herwegh-Klub erhält, bewegt er sich unter den radikalsten Geistern der Vormärz-Zeit.

Im Juli 1841 wechselt Fontane erneut den Wohnsitz und nimmt eine Stelle in einer Apotheke in Dresden an, veröffentlicht aber weiterhin in der Leipziger Zeitschrift Die Eisenbahn. Als die Lehrzeit in der Dresdner Apotheke abgelaufen ist, kehrt er als Gehilfe in die Apotheke seines Vaters zurück. Die Familie wohnt inzwischen in Letschin im Oderbruch ­ ein Provinznest, das nach der Leipziger Erfahrung auf den jungen Schriftsteller deprimierend wirkt. Fontane vergräbt sich in Lektüre, liest und übersetzt Shakespeare sowie neuere englische Schriftsteller und versucht sich wieder in kurzen Prosastücken. Der 23. Juli 1843 wird ein wichtiges Datum für den 23-jährigen Fontane: Sein Freund Bernhard von Lepel führt ihn bei einem Berlin-Besuch in den Dichterverein »Der Tunnel über der Spree« ein.

Hier wird Fontane einflussreichen Persönlichkeiten begegnen, deren Bekanntschaft entscheidenden Einfluss auf seinen späteren Lebensweg haben wird. Der Dichterverein war 1827 von dem Schriftsteller und Verleger Gottlieb Saphir gegründet worden. Der eigentümliche Name des Klubs soll eine satirische Anspielung auf den einige Jahre zuvor gebauten Tunnel unter der Themse sein, eine der Meisterleistungen der damaligen Ingenieurskunst. Dichterische Meisterleistungen gehen von diesem Verein zunächst nicht aus; als Fontane im September 1844 aktives Mitglied wird, findet er jedoch immerhin eine Reihe illustrer Persönlichkeiten vor: den späteren Nobelpreisträger Paul Heyse, Felix Dahn und, für kurze Zeit, Theodor Storm. Der alte Eichendorff und Gottfried Keller erscheinen als Gäste. Bernhard von Lepel, der kurz darauf auch Fontanes militärischer Vorgesetzter wird, zählt zu den tonangebenden Männern des Klubs.


Fontane wendet sich während seiner Tunnel-Zeit bald von den lyrischen Anfängen in Herweghscher Manier ab; die Ballade wird nun die für ihn typische Gedichtform. Im Dezember 1844 erzielt er mit »Der Tower-Brand« den ersten Achtungserfolg vor den Tunnel-Mitgliedern. Er wird diesem Verein noch lange treu bleiben ­ nominell wird seine Mitgliedschaft 21 Jahre dauern. Im April 1844 tritt Fontane seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger an. Gemeinsam mit seinem Freund Herrmann Scherz unternimmt er noch während der Militärdienstzeit eine erste spontane Reise nach England. Im Jahr 1845 arbeitet Fontane noch einige Monate bei seinem Vater in Letschin, bevor er einen Posten in einer großen Apotheke in Berlin annimmt.

Bei der Geburtstagsfeier seines Onkelstrifft Fontane eine Jugendfreundin wieder, Emilie Rouanet-Kummer, die er noch aus seiner Zeit als Realschüler kennt. Am 8. Dezember 1845 verlobt er sich mit ihr ­ wie es scheint, ein überraschender Entschluss. Doch bis zur Ehe soll es noch fünf Jahre dauern, denn der angehende Dichter und Apotheker leidet an chronischer Finanznot. Dass sich Fontane während dieser fünf Jahre nicht in mönchischer Lebensweise übt, gilt als sicher: Man weiß von mindestens zwei unehelichen Kindern, deren Mutter unbekannt ist. Neben der Tätigkeit in der Apotheke opfert er seine Freizeit jetzt fast vollständig seinen literarischen Ambitionen.

Er gewinnt immer mehr die Sympathien des konservativen Teils der»Tunnel«-Mitglieder, die ihn wegen seiner Balladen, die die Großen der preußischen Geschichte verherrlichen, für einen der ihren halten ­ sicherlich nur mit halbem Recht, denn Fontane scheint seine Verehrung für die bewunderten Gestalten der preußischen Geschichte nicht als Widerspruch zu seinen demokratischen Überzeugungen zu empfinden. Am 2. März 1847 besteht Fontane das Staatsexamen in Pharmazie und wird zum »Apotheker erster Klasse« ernannt. Da an den Kauf einer eigenen Apotheke nicht zu denken ist, tritt Fontane im Oktober desselben Jahres in die Apotheke »Zum Schwarzen Adler« ein. Fontane lenkt nun sein schriftstellerisches Talent in neue Bahnen, die für lange Zeit die wichtigsten, weil ertragreichsten bleiben werden: Er wird Journalist. Einige Artikel erscheinen in der liberalen Zeitungshalle, die kurze Zeit später verboten wird ­ Fontane gerät in den Ruf, ein radikaler Linker zu sein, und tatsächlich begeistert er sich eine Zeitlang für die deutsche Einheit.

1848, im Jahr der misslungenen Revolution, beteiligt sich Fontane sogar an Barrikadenkämpfen ­ allerdings nur kurz und ohne sonderlichen Elan. Ab 15. September kommt es zu einer Anstellung im Krankenhaus Bethanien, wo er zwei Krankenschwestern in Pharmazie unterrichtet. Dort arbeitet er an einigen Balladen und dem Drama Karl Stuart, das er jedoch nie vollenden wird. Ein sehr viel bedeutenderes Werk beginnt Fontane ebenfalls zu dieser Zeit: seine Briefe. Fontane ist in seiner Korrespondenz nicht nur ein brillanter Stilist, er wird auch einer der fleißigsten Briefeschreiber seiner Zeit werden ­ man schätzt das Briefwerk, das heute noch immer nicht vollständig ediert ist, auf über 5000 Druckseiten.

Jeder Brief beginnt mit einer kalligraphisch verzierten Anrede und ist, wie alles von Fontanes Hand, mit einer Schwanenfeder geschrieben. Ende September 1849 ist die Arbeit in Bethanien beendet. Fontanes berufliche und finanzielle Situation ist alles andere als rosig, als er einen ebenso mutigen wie einschneidenden Entschlusss fasst: Er gibt die pharmazeutische Karriere auf und kündigt sogar der Dresdner Zeitung, die ihm für seine Berichte immerhin noch ein schmales Honorar zahlte. In einem kleinen möblierten Zimmer konzentriert er sich ausschließlich auf seine literarische Arbeit und produziert vor allem die bewährten Balladen. Hin und wieder erreicht er einen Abdruck in einer Zeitung. Im Dezember 1849 erscheinen seine ersten beiden Bücher Männer und Helden.

Acht Preußenlieder sowie der Romanzenzyklus Von der schönen Rosamunde. Im folgenden Jahr veröffentlicht er einen Band Gedichte. Das Jahr 1850 bringt eine weitere Wende: Ein »Tunnel«-Freund verhilft Fontane zu einer Anstellung im »Literarischen Kabinett«, das später »Centralstelle für Preußenangelegenheiten« heißt, einer Art Propagandaabteilung des preußischen Innenministers, die der Presse die ,richtigen' Artikel liefern soll. Am 16. Oktober 1850 heiratet Fontane Emilie Rouanet-Kummer, und am 14. August 1851 wird sein erster (legitimer) Sohn George Emile geboren.

Anfang 1852 führt sein Freund Bernhard von Lepel ihn in den Salon der Mathilde von Rohr ein. Sie wurde für Fontane zur Vertrauten in allen schwierigen Situationen des Lebens und zur wichtigsten Briefpartnerin. Die berufliche Situation sieht Fontane ganz und gar nicht positiv: »Ich habe mich heute der Reaction für monatlich 30 Silberlinge verkauft [...].

Man kann nun mal als anständiger Mensch nicht durchkommen.« Seine Tätigkeit besteht darin, für die Preußische Zeitung, genannt »Adler-Zeitung«, die englische Presse auszuwerten. Fontane erreicht es, dass er diese Tätigkeit ab April 1852 in London fortsetzen darf ­ allerdings ohne Gehalt vom Ministerium, obwohl er offizieller Presseberichterstatter ist. In London macht er die Bekanntschaft einer ganzen Reihe von flüchtigen Aktivisten der gescheiterten 48er Revolution, die hier Asyl gefunden haben. Einige Zeit ist Fontane am Tavistock Square sogar unmittelbarer Nachbar von Charles Dickens, den er jedoch nicht aufzusuchen wagt. Am 25.

September kehrt Fontane nach Berlin zurück, wo er wieder bei der Pressestelle des Innenministeriums für die »Adler-Zeitung« arbeitet. Oktober 1853 verbessert er seine dortige Stellung und wird zum England-Spezialisten der Zeitung ­ d. h. er verfasst aufgrund von Artikeln in englischen Zeitungen eigene Beiträge über England. Nebenbei ist er Hauslehrer für die Kinder besserer Familien. Im Juli 1854 veröffentlicht Fontane ein Buch über seine Englandreise, Ein Sommer in London, und gibt zusammen mit seinem Freund Franz Kugler das erste Jahrbuch des »Tunnels« namens Argo heraus, zu dem unter anderem Theodor Storm und Paul Heyse Beiträge liefern.

Von ihm selbst erscheinen zwei Erzählungen: »Tuch und Locke« sowie »Goldene Hochzeit«. Anfang September 1855 tritt Fontane seinen dritten Englandaufenthalt an, der diesmal drei Jahre dauert. Zunächst arbeitet er wieder im Auftrag der preußischen Regierung, wechselt aber bald, nach Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten, zur preußischen Botschaft, wo er als Presseattaché preußenfreundliche Artikel in englische Zeitungen lancieren soll. Zwischendurch reist er nach Berlin, wo am 2. November 1856 sein zweiter Sohn, Theodore Henry (genannt »Theo«) zur Welt kommt, und besichtigt Paris. Im Sommer 1857 gelingt es ihm, ein Haus in einem Londoner Vorort zu mieten, so dass seine Frau mit den beiden Söhnen zu ihm ziehen kann.

Im August 1858 tritt Fontane mit Bernhard von Lepel eine Reise nach Schottland an, über die er in seinem 1860 erschienen Reisebuch Jenseits des Tweed berichten wird. Anfang 1859 kehrt Fontane zurück nach Berlin ­ er ist jetzt vierzig Jahre alt und steht wieder einmal vor dem Problem des Broterwerbs. Eine Tätigkeit in der Zentralpressestelle, an der ausgewählte Jounalisten offiziell über die Politik der preußischen Regierung informiert werden, ist wegen einer gut gemeinten Indiskretion Fontanes nach wenigen Monaten wieder beendet. Am 21. März 1860 wird seine Tochter Martha, genannt Mete, geboren. Erst als ein weiterer »Tunnel«-Freund, Georg Hesekiel, sich seiner annimmt, kommt es zu einer dauerhaften Stellung:Fontane wird ab 1.

Juni Redakteur der erzkonservativen Neuen Preußischen (»Kreuz-«) Zeitung. Seine Aufgabe: Er verfasst nach Lektüre von englischen Zeitungen Artikel über England, die möglichst so aussehen sollen, als seien sie von einem Auslandskorrespondenten an Ort und Stelle verfasst worden. Knapp 10 Jahre wird Fontane Redakteur bei der Kreuzzeitung bleiben. 1860 erscheinen Jenseits des Tweed und Aus England sowie ein Band Balladen, 1861 dann der erste Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg mit dem Titel Die Grafschaft Ruppin, 1863 der zweite Band mit dem Titel Oderland. Die finanzielle Lage konsolidiert sich, die Familie Fontane kann sich jetzt eine jährliche Sommerfrische leisten. 1864 wird der letzte Sohn Friedrich (»Friedel«) geboren.

Mitte der sechziger Jahre beginnt Fontane mit Entwürfen zu seinem ersten Roman Vor dem Sturm, Ende 1865 erscheint sein Kriegsbuch Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahr 1864, 1870 der erste Band von Der deutsche Krieg von 1866. Im Frühjahr 1870 kündigt Fontane bei der Kreuzzeitung und findet im Sommer eine neue journalistische Tätigkeit, die ihm erheblich mehr zusagt und die er bis Anfang der 90er Jahre fortführen wird: Er wird Theaterkritiker bei der liberalen und auflagestarken Vossischen Zeitung. Im September lässt er sich beurlauben, um ein Buch über den im Sommer ausgebrochenen Krieg gegen Frankreich zu schreiben. Das Buchprojekt geht auf die Initiative seines Verlegers zurück, der die Produktion der detailversessenen militärhistorischen Wälzer mit erheblich mehr Ehrgeiz verfolgt als der Autor selbst. Vom Elsaß aus macht sich Fontane per Eisenbahn in mehreren Etappen auf den Weg nach Paris. In Domrémy wird er von einer Gruppe von sogenannten Franctireurs, einer Art von Partisanen, verhaftet und beinahe wegen Spionage angeklagt.

Man weiß heute nicht mit absoluter Sicherheit, auf wessen Intervention hin es zur Freilassung Fontanes kommt ­ eine Hypothese besagt, dass Bismarck persönlich interveniert habe ­ jedenfalls wird die Anklage gegen Fontane fallengelassen und er ist, nach einigen Wochen Ehrenhaft zu Offiziersbedingungen, im Dezember 1870 wieder frei. Unter dem Titel Kriegsgefangen veröffentlicht Fontane die Tagebücher, die in seiner Gefangenschaft entstanden. Noch während des Krieges, am 18. Januar 1871, wird der preußische König Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert ­ der Traum des liberalen Deutschland ist wahr geworden, die Kleinstaaterei ist beendet. Nach Kriegsende, im April und Mai 1871, bereist Fontane noch einmal das besetzte Frankreich und veröffentlicht seine Beobachtungen Ende November unter dem Titel Aus den Tagen der Okkupation.

Über den Krieg von 1870/71 schreibt er ein Buch mit dem Titel Der Krieg gegen Frankreich, dessen erster Band 1873, der zweite 1875/76 erscheint. Zurück in Berlin, nimmt Fontane die Arbeit an den Wanderungen und seine Tätigkeit als Theaterkritiker wieder auf. Am 3. Oktober 1872 bezieht die Familie Fontane eine neue Wohnung ­ die letzte nach einer langen Reihe von Umzügen. Bis zu seinem Tod wird Fontanes Adresse nun »Potsdamer Straße 134 c« lauten. Das Jahr 1876 bringt noch einmal eine berufliche Veränderung: Wieder verschafft ihm ein »Tunnel«-Freund einen Posten, nämlich den des Sekretärs der Akademie der Künste, der nicht nur ein Beamtengehalt, sondern auch eine entsprechende Alterspension eintragen würde.

Doch schon nach wenigen Monaten bittet Fontane um seine Entlassung, da er mit der Tätigkeit überhaupt nicht zurechtkommt. Das jähe Ende des Gastspiels als Akademiesekretär hat vor allem für Fontanes ohnehin von Krisen gezeichnete Ehe schlimme Folgen. Emilie fühlt sich persönlich gekränkt durch das mangelnde Bemühen um eine Sicherung des Lebensstandards, und sie hat wohl auch ernstlich Angst vor der Armut. Die Tochter Mete wächst in eine schwierige Rolle hinein: Sie ist die Vertraute des Vaters und muss oft genug zwischen den Ehepartnern vermitteln. Sie ist in noch höherem Maß als ihre Eltern mit psychischen Problemen belastet, die man damals noch als »Nervosität« bezeichnet, und wird nicht nur die Stütze, sondern auch das Sorgenkind Fontanes bleiben. Erst jetzt, ab dem 57.

Lebensjahr, widmet sich Fontane mit voller Energie seiner eigentlichen Berufung. Er arbeitet an dem schon seit langem geplanten Roman Vor dem Sturm, der im Oktober 1878 in vier Bänden erscheint. Der Roman liegt ganz auf der Linie, die Fontane bereits mit seinen Balladen eingeschlagen hat; die preußische Geschichte und das märkische Junkertum geben auch hier den Stoff ab. Sehr erfolgreich wird dieser Roman nicht, die meisten Leser empfinden ihn als langatmig und allzu reich mit Anekdoten ausgeschmückt. Das nächste Buch, die historische Erzählung Grete Minde, wird erheblich kürzer. Noch vor deren Erscheinen im Jahr 1880 beginnt Fontane mit Plänen zu den Romanen L'Adultera, Schach von Wuthenow und Graf Petöfy.

Mit L'Adultera (zu deutsch: ,Die Ehebrecherin') erscheint der erste Berliner Ehe-Roman, in dem wir den heute als typisch angesehenen Fontane-Stil finden. Der Roman wird nicht sehr günstig aufgenommen, viele Leser empfinden die Darstellung als skandalös, und nach dem Vorabdruck von 1880 dauert es zwei Jahre, bis Fontane einen Verleger für die Buchausgabe gefunden hat. Der Wechsel von einer journalistischen, beschreibenden Literaturform zur fiktionalen Romanliteratur fällt Fontane nicht leicht; letztere erscheint ihm anfangs noch »so affig und laffig«, dass die Arbeit an den Wanderungen für ihn eine Art von Zuflucht bedeutet. 1881 erscheint deren letzter Band (Spreeland), der die finanzielle Lage der Familie ein wenig verbessert. 1882 folgen die Kriminalerzählung Ellernklipp und Schach von Wuthenow, ein historischer Roman um die Ereignisse des preußischen Schicksalsjahres 1806, der einigen Erfolg erzielt. Fontane veröffentlicht jetzt Jahr für Jahr einen neuen Roman; immer sind mehrere Projekte gleichzeitig in Arbeit.

Graf Petöfy erscheint 1884, 1885 folgt die Kriminalerzählung Unterm Birnbaum, 1886/87 Cécile, 1887/88 Irrungen, Wirrungen, 1889/90 Stine, 1890 wieder eine Kriminalerzählung mit dem Titel Quitt, 1891 Unwiederbringlich, 1892 Frau Jenny Treibel. Neben den Romanen entsteht als Auftragsarbeit die Biographie eines seiner »Tunnel«-Freunde, Christian Friedrich Scherenberg, die 1884 erscheint. In dieser intensiven Schaffensphase gibt es in Fontanes Leben kaum äußere Ereignisse, mit Ausnahme des Todes seines Sohnes George am 27. September 1887 an einem Blinddarmdurchbruch. Fontane hat sich inzwischen einigen Ruhm als Schriftsteller erworben, und zu seinem 70. Geburtstag am 30.

Dezember 1889 bleiben die Ehrungen nicht aus. Im Frühjahr 1892 erkrankt Theodor Fontane. Es beginnt mit einer Erkältung, die sich zur schweren Grippe verschlimmert und endet mit einem totalen Nervenzusammenbruch. »Wir erwarten den Arzt, der immer dringender von einer Nervenheilanstalt spricht«, schreibt Emilie Fontane an den Sohn Friedrich. Doch der Hausarzt, der die psychischen Ursachen der Krankheit erkennt, empfiehlt Fontane stattdessen, etwas Leichtes, zum Beispiel Kindheitserinnerungen zu schreiben. Diese Kur ist erfolgreich, und im April 1893 beendet Fontane Meine Kinderjahre.

Als das Buch im November 1894 im Verlag seines Sohnes Friedrich erscheint, wird es ein großer Erfolg; auch das Buch Von, vor und nach der Reise aus demselben Jahr, eine Sammlung von kleinen Geschichten und Feuilletons, verkauft sich gut. Noch vor Jahresende beginnt Fontane mit dem nächsten autobiographischen Buch, Von Zwanzig bis Dreißig, das 1898 erscheinen wird. Der große Durchbruch kommt im Jahr 1895 mit dem Roman Effi Briest. Beinahe fünf Jahre hat Fontane an diesem Werk gearbeitet, und es dürfte einige Mitschuld an dem Zusammenbruch von 1892 tragen. Doch der Kampf wird belohnt: Es wird in kürzester Zeit Fontanes meistgelesenes Buch; in weniger als einem Jahr kommt es auf fünf Auflagen, und Fontane kann in sein Tagebuch notieren: »der erste wirkliche Erfolg, den ich mit einem Roman habe.« Neben Effi Briest ist noch ein zweiter Roman geradezu zum Markenzeichen Fontanes geworden: Der Stechlin.

Fontane arbeitet bereits daran, während er den Roman einer Berliner Familie Die Poggenpuhls schreibt, der 1896 erscheint. Ende 1897 beginnt die Zeitschrift Nord und Süd mit dem Vorabdruck, und 1898 folgt die Buchausgabe. An den internationalen Erfolg von Effi Briest kann Fontane mit diesem Werk, in dem er noch einmal den Geist des märkischen Junkertums beschwört, nicht anknüpfen ­ auch wenn es heute zu den bedeutendsten Werken der deutschen Literatur gerechnet wird. In den letzten Tagen seines Lebens gibt es noch ein erfreuliches familiäres Ereignis für den alten Fontane: Seine Tochter Mete, das Sorgenkind, verlobt sich wider Erwarten doch noch. Die Verlobungsfeier findet am 16. September 1898 in der elterlichen Wohnung statt, die Mutter nimmt nicht daran teil.

Vier Tage danach, am 20. September, scheidet Theodor Fontane friedlich und ohne Todeskampf aus dem Leben.   Viel Spaß beim abschrieiben!!

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