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  Türkei

Türkei Kurzinformation: Fläche: 779ÿ452 km2 Einwohner: (2000) 66,668 Mio. Hauptstadt: Ankara Verwaltungsgliederung: 81 Provinzen Amtssprache: Türkisch Nationalfeiertag: 29.ÿ10. Währung: 1 Türkisches Pfund/Türkische Lira (TL.) = 100 Kurus (krs.) Zeitzone: MEZ + 1 Stunde (türkisch Türkiye, amtlich Türkiye Cumhuriyeti deutsch Republik Türkei), Staat in Vorderasien und Südosteuropa.

Die Türkei grenzt im Norden an das Schwarze Meer, im zentralen Süden und im Westen an das Mittelmeer. Die das Schwarze Meer und das Mittelmeer verbindende Wasserstraße BosporusþMarmarameerþDardanellen trennt die europäische Türkei (Ostthrakien) im Westen von der asiatischen Türkei (Anatolien). Ostthrakien grenzt im Westen an Griechenland, im Norden an Bulgarien; Anatolien grenzt im Nordosten an Georgien und Armenien, im Osten an Iran, im Süden an Irak und Syrien. Staat und Recht: Nach der Verfassung von 1982 (mehrfach, zuletzt 2002, revidiert) ist die Türkei eine parlamentarische Republik. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf 7 Jahre (keine Wiederwahl möglich) gewählte und mit weit reichenden Vollmachten ausgestattete Präsident; er ernennt den Ministerpräsidenten und auf dessen Vorschlag die Minister, kann den Vorsitz im Ministerrat übernehmen, entscheidet über Staatsnotstand und Kriegsrecht und hat das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Die Legislative liegt bei der Großen Nationalversammlung (550 Abgeordnete, für 5 Jahre gewählt).

Für Parteien existiert eine 10ÿ%-Sperrklausel. Einflussreichste Parteien: Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), Republikanische Volkspartei (CHP). Daneben spielen eine Rolle Partei des Rechten Weges (DYP), Partei der Nationalen Bewegung (MHP), Mutterlandspartei (ANAP), Demokratische Linkspartei (DSP), Demokratische Partei des Volkes (Hadep, prokurdisch), Partei für eine neue Türkei (TYP) und Partei der Glückseligkeit (SP; islamistisch). Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist verboten, ebenso die islamistische Wohlfahrtspartei (RP; seit 1998) und ihre Nachfolgerin Tugendpartei (FP; seit 2001). Landesnatur: Außer einem kleinen Anteil an Europa umfasst die Türkei die Halbinsel Kleinasien und reicht im Osten bis zum Ararathochland mit dem höchsten Berg des Landes, dem Ararat (5ÿ137ÿm über dem Meeresspiegel). Inneranatolien, ein steppenhaftes Hochland (800þ1ÿ200ÿm ü.

ÿM.), ist von Bergzügen durchsetzt und von Gebirgen (im Norden Pontisches Gebirge, im Süden Taurus, im Westen westanatolisches Bergland) umrahmt. Die tekton. Bewegungen sind in ganz Anatolien noch nicht abgeklungen (Erdbeben bei Izmir und Gediz 1970, Burdur und Bingöl 1971, Muradiye in der Prov. Van 1976, Erzincan 1991, Dinar 1995, Adana 1998, Izmit 1999). Hauptflüsse sind Kizilirmak im Westen sowie Euphrat und Tigris im Osten; zahlreiche Seen, darunter Tuz Gölü und Vansee.

ÿþ Ost-Thrakien und Inneranatolien haben kontinentales Klima mit heißen, trockenen Sommern und kalten, in Ostanatolien schneereichen Wintern. Ausreichende Niederschläge zu allen Jahreszeiten und gemäßigte Temperaturen hat die Schwarzmeerküste. Zum mittelmeerischen Klimabereich (milde, feuchte Winter, trockene Sommer) gehören die westliche Küstenregion Anatoliens und der Südfuß des Taurus. Bevölkerung: Etwa 80ÿ% sind Türken; v.ÿa. im Südosten Anatoliens leben ’Kurden (12 Mio.

); an der syrischen Grenze Araber (1ÿ%); ferner Griechen, Armenier (beide vorwiegend in Istanbul), Araber, Tscherkessen, Georgier, Lasen, Pomaken u.ÿa. Am dichtesten besiedelt sind die Küstenzonen; durch ausgedehnte Binnenwanderungen starkes Wachstum der Stadtrandzonen (Gecekondusiedlungen) Das durchschnittliche Bevölkerungswachstum beträgt 1,9ÿ%.ÿþ Mit über 98ÿ% bekennt sich fast die gesamte Bevölkerung zum Islam (75þ80ÿ% Sunniten, mindestens 15ÿ% Aleviten [’Nusairier], schiitische Minderheit [Imamiten]). Die (v.ÿa.

der orthodoxen Kirche und orientalischen Nationalkirchen angehörende) christliche Minderheit umfasst maximal etwa 125ÿ000 Christen (rund 0,2ÿ% der Bevölkerung). Weitere religiöse Minderheiten bilden die Juden (rund 20ÿ000) und die Jesiden in der Südosttürkei.ÿþ Es besteht eine achtjährige allgemeine Schulpflicht ab dem 6.ÿLebensjahr. Das Schulsystem umfasst die fünfjährige Primarschule (Grundschule) und einen zweistufig aufgebauten Sekundarschulbereich mit dreijähriger Mittelschule (mittlerer Bildungsabschluss) und daran anschließenden drei- bis vierjährigen, berufsbildend, technisch und allgemein bildend ausgerichteten Gymnasien. Die Analphabetenquote beträgt 15ÿ%.


Es gibt über 80 Universitäten und Hochschulen. Die ältesten Universitäten sind die Hacettepe-Universität in Ankara (gegründet 1967 in der Tradition der 1206 gegründeten Universität Kayseri) und die in ihrer Tradition ins 15.ÿJahrhundert zurückreichende Universität von Istanbul. Wirtschaft und Verkehr: Charakteristisch ist ein starkes wirtschaftliches Gefälle zwischen dem industriell entwickelten Westen und dem strukturschwachen, v.ÿa. agrarisch ausgerichteten Osten.

International bestimmen Westorientierung (angestrebte EU-Mitgliedschaft; seit 1999 Kandidatenstatus) sowie Ausdehnung der türkischen Einflusssphäre auf den zentralasiatischen und kaukasischen Wirtschaftsraum das Bild. Die Industrialisierung hat bedeutende Fortschritte gemacht. Der hohe Anteil von Staatsbetrieben wird seit 1986 durch Reprivatisierung zurückgedrängt; seit 2001 wird dieser Prozess auch als wirtschaftspolitische Maßnahme zur Lösung der neueren Wirtschaftskrise beschleunigt. Haupterwerbszweig ist die Landwirtschaft; im Bergland überwiegend Getreideanbau. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Ausfuhrprodukte sind Baumwolle, Obst (u.ÿa.

Äpfel und Melonen), Tabak, Nüsse (v.ÿa. Haselnüsse) und Weizen; angebaut werden weiterhin Gerste, Sonnenblumen, Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln, Tomaten, Tee und Oliven. Die berühmten Smyrna-Feigen kommen aus dem Raum Izmir (früher Smyrna); Weinbau (geringe Weinbereitung, v.ÿa. Sultaninen und Tafeltrauben).

Die Bewässerungsflächen sollen im Rahmen des ’Südostanatolien-Projekts erheblich ausgedehnt werden. Waldgebiete sind vorwiegend in Staatsbesitz. Als Nutzholz werden Nussbäume, Zedern, Kiefern, Pappeln und Weiden geschlagen. Die Türkei gehört zu den bedeutenden Chromerzlieferanten (Abbau bei Güleman, Fethiye), daneben werden u.ÿa. Kupfer, Steinkohle, Braunkohle, Eisenerz, Baryt, Antimon, Bauxit und Quecksilber abgebaut; bei Batman, im Südosten des Landes, Erdölförderung.

Die bedeutendsten Industriestandorte sind Istanbul, Ankara, Izmir, Adana und Bursa. Führende Branche ist die Textil- und Bekleidungsindustrie (Teppichknüpferei [Zentrum Kayseri]), es folgen Fahrzeug-, Landmaschinen- und Schiffbau, Eisen- und Stahl-, Zement- und chemische Industrie; Erdölraffinerien in Batman, Mersin und bei Izmir. Besonders günstige Standortbedingungen haben die Freihandelszonen von Mersin, Antalya, Izmir (Ägäis), Istanbul, Trabzon und Izmit. Hauptenergieträger ist das größtenteils importierte Erdöl. Mit den großen hydrotechnischen Projekten am Euphrat (1992 Einweihung des Atatürk-Staudammes) ist der Bau mehrerer Wasserkraftwerke sowie ein großflächiges Bewässerungsprogramm in der Urfaebene verbunden. Wesentliche Deviseneinnahmen erbringt der Tourismus, der sich v.

ÿa. auf die West- und Südküste sowie auf Istanbul konzentriert. Das Verkehrsnetz umfasst etwa 10ÿ500 km (davon rd. 2ÿ000 km elektrifiziert) Bahnlinien und 61ÿ740 km Straßen (über 75ÿ% asphaltiert); Haupthäfen: Istanbul, Mersin, Iskenderum, Izmir, Izmit und Trabzon. Größte internationale Flughäfen sind Istanbul und Ankara. Geschichte: Zur Vorgeschichte und vorosmanischen Geschichte des Gebiets der asiatischen Türkei ’Kleinasien, ’Mittelmeerraum.

  Mittelalter: Ausgangspunkt der Türkisierung und Islamisierung des heutigen Staatsgebiets der Türkei wurde das Sultanat der anatolischen ’Seldschuken (Rumseldschuken) um Konya und Kayseri, das hier nach dem Sieg des Seldschukensultans Alp Arslan über Byzanz 1071 bei Mantzikert entstanden war. In der Folge drängten türkische Nomaden in großer Zahl nach Kleinasien, das unter den Rumseldschuken im 12.ÿJahrhundert die erste islamisch geprägte Blüte erlebte. Der Auflösungsprozess, eingeleitet durch den Mongoleneinfall von 1243, ließ neue türkische Kleinstaaten entstehen, u.ÿa. in Nordwestanatolien ein Grenzfürstentum unter dem ogusischen Hordenführer Ertogul, dessen Sohn ’Osman I.

Ghasi namengebend für das spätere Reich und seine Dynastie wurde. Das 1361 eroberte Adrianopel (Edirne) wurde Hauptstadt dieses Osmanischen Reiches, dem das Byzantinische Reich tributpflichtig wurde. Thrakien und Makedonien kamen 1371 nach dem Sieg über die Heere Serbiens, Ungarns, Bulgariens und Bosniens an der Maritza in osmanischen Besitz. Nach dem Sieg Murads I. (1359þ89) auf dem Amselfeld 1389 wurde Serbien tributpflichtig, 1395 die Walachei; Bulgarien und Thessalien wurden 1393/94þ96 erobert. Trotz der Niederlage gegen Timur 1402 bei Ankara blieb das Osmanische Reich in seinem Grundbestand erhalten und konnte den letzten Kreuzzug zur Rettung des Byzantinischen Reiches 1444 bei Warna abwehren.

Der von J.ÿHunyadi organisierte Widerstand brach nach 1448 (Niederlage auf dem Amselfeld) zusammen; Mohammed II., der Eroberer (1451þ81), annektierte das restliche Byzantinische Reich, eroberte Konstantinopel am 29.ÿ5. 1453 und machte es zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Dieses war im 15.

/16.ÿJahrhundert (größte Macht und Ausdehnung) auch in Europa als politischer Faktor und Weltmacht ernst zu nehmen: 1454þ63 wurden Serbien, Trapezunt und Bosnien türkische Provinzen (Paschaliks); der 2.ÿTürkisch-Venezianische Krieg 1463þ79 brachte die Peloponnes und Athen ein und sicherte die Herrschaft über Albanien; das Osmanische Reich wurde zur beherrschenden Seemacht im östlichen Mittelmeer (Sieg über Venedig im Seekrieg 1499þ1503). Selim I., der Strenge (1512þ20), unterwarf 1514 Armenien, 1516/17 Syrien und Ägypten. Der Sultan trug seit 1517 auch den Kalifentitel und übernahm den Schutz der heiligen Stätten des Islam in Mekka und Medina.

SüleimanÿII., der Prächtige (1520þ66), besetzte Belgrad (1521) und nach der Schlacht von Mohács (29.ÿ8. 1526) große Teile Ungarns; 1529 drang er bis Wien vor. Mesopotamien kam 1534, Tripolitanien 1551, Zypern 1570/71, Tunesien 1574 unter osmanische Herrschaft. Süleimans Seemacht beherrschte durch seinen Admiral ’Cheireddin den Süden des Mittelmeeres.

Auch im Innern schuf Süleiman eine zentrale Verwaltung, die Jahrhunderte hindurch in Kraft blieb.  Niedergang des Osmanischen Reiches (1566þ1920/23): Bald nach der in Europa gefeierten vernichtenden Niederlage der türkischen Flotte gegen die Heilige Liga (1571 bei Lepanto) begann der äußere und innere Verfall; neben den ’Janitscharen erlangten Zivilbeamte die Macht. Die örtlichen Machthaber in den Provinzen wurden immer selbstständiger, Aufstände schwächten die Regierung der Hohen Pforte. Seit 1711 erlebten die Griechen eine Stärkung ihrer Stellung (’Phanarioten). Die Reformen Selims III. (1789þ1807) und seiner Nachfolger konnten das Auseinanderfallen des Reichs nicht aufhalten.

Zwar wurde im 6.ÿTürkisch-Venezianischen Krieg (1645þ69) Kreta erobert, doch mit der vergeblichen Belagerung Wiens 1683 war die Kraft der osmanischen Armee erschöpft. Der nun folgende »Große Türkenkrieg« (1683þ99) mit der Heiligen Liga von 1684 endete mit großen Verlusten. Nach Österreich, Ungarn, Venedig, Polen und dem Heiligen Römischen Reich wurde seit etwa 1750 Russland zum Hauptgegner der Osmanen (’Türkenkriege). In den Friedensschlüssen von Küçük Kaynarci (1774) und Jassy (1792) zwang Russland die Osmanen, alle Gebiete im Norden des Schwarzen Meeres bis zum Dnjestr aufzugeben (weitere Gebietsverluste im Russisch-Türkischen Krieg 1806þ12). Frankreich, Großbritannien und Russland setzten nach dem Sieg über die türkisch-ägyptische Flotte bei Navarino (20.

ÿ10. 1827) die Unabhängigkeit der Griechen durch. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1828/29 musste der Sultan die Autonomie Serbiens, der Moldau und der Walachei anerkennen (Frieden von Adrianopel 1829, Londoner Protokoll 1830). In der Folge des verlorenen Krimkrieges 1853/54þ56 erklärte das Osmanische Reich 1875 die Zahlungsunfähigkeit. Trotz aller Reformbemühungen nahm die Schwäche des Reiches weiter zu (»Kranker Mann am Bosporus«). Nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1877/78 erhielten Serbien, Montenegro und Rumänien auf dem Berliner Kongress 1878 die volle Unabhängigkeit, Bulgarien nur zum Teil; Bosnien und Herzegowina kamen unter österreichische Verwaltung, Zypern zu Großbritannien.

Frankreich, das 1830þ70 Algerien annektiert hatte, besetzte 1881 Tunesien, Großbritannien 1882 Ägypten. Die liberal-reformerisch und panislamisch ausgerichteten »Jungtürken« unter Enver Pascha und Talat Pascha setzten 1909 Sultan Abd ül-Hamid II. (seit 1876) ab und entmachteten seinen Nachfolger Mohammed V. (1908þ18). Doch die Schwächung des Reichs setzte sich fort: Unabhängigkeit Bulgariens (mit Rumelien) 1908; Verlust von Tripolis, der Cyrenaika und des Dodekanes im Italienisch-Türkischen Krieg 1911/12; fast völliger Verlust der verbliebenen europäischen Besitzungen in den Balkankriegen 1912/13. Ansätze einer inneren Erneuerung verhinderte der Kriegseintritt auf der Seite der Mittelmächte am 1.

ÿ11. 1914. Im Ersten Weltkrieg gingen Irak, Palästina und Syrien verloren. Im Sykes-Picot-Geheimabkommen (1916) teilten Großbritannien und Frankreich das Osmanische Reich in Einflusssphären auf. Zwischen 1894 und 1921 mehrmalige blutige Armenierverfolgungen durch die Türkei (Höhepunkt: 1915/16). Im Vertrag von Sèvres 1920 musste sich die Türkei auf Kleinasien und einen Zipfel des europäischen Festlandes beschränken und kam unter alliierte Kontrolle.

Die Griechen besetzten 1919þ22 Izmir; Istanbul und die Meerengen kamen 1918þ23 unter alliierte Verwaltung. Die vollständige Demobilisierung wurde von Mustafa Kemal Pascha (Kemal Atatürk) verhindert, der sich 1919 in Anatolien an die Spitze der nationalen Widerstandsbewegung stellte und die Griechen aus den von ihnen besetzten westanatolischen Gebieten vertrieb (Griechisch-Türkischer Krieg 1919þ22). Im Frieden von Lausanne 1923 gewann die Türkei Teile Ostthrakiens sowie die volle Kontrolle über Anatolien mit Türkisch-Armenien zurück.   Republik (seit 1923): Nach der Absetzung Mohammeds VI. wurde am 29.ÿ10.

1923 die Republik ausgerufen (Aufhebung des Kalifats am 3.ÿ3. 1924). Kemal Atatürk (seitdem Präsident) bemühte sich, die Türkei zu einem europäisch orientierten, säkularen Nationalstaat zu formen (u.ÿa. Einführung der lateinischen Schrift) und außenpolitisch durch Ausgleich mit den Siegermächten des Ersten Weltkrieges und den Nachbarstaaten abzusichern.

ÿþ Im Zweiten Weltkrieg blieb die Türkei neutral.ÿþ 1952 wurde die Türkei Mitglied der NATO, 1955 des Bagdadpakts (1959 CENTO). Gegen die regierende Republikanische Volkspartei gewann 1950 die konservative Demokratische Partei die Wahlen: M.ÿC. Bayar wurde Staatspräsident; als Ministerpräsident A.ÿMenderes (ab 1950) infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Unterstützung des Parlaments verlor, hielt er sich durch Unterdrückung der Opposition an der Macht (1960 durch Militärputsch gestürzt; 1961 hingerichtet).

Unter Ministerpräsident S.ÿDemirel (1965þ71) kam es zur engen Anlehnung an den Westen. Die ungelöste Zypernfrage, blutige Studentenunruhen und zahlreiche Terrorakte führten 1971 erneut zum Eingreifen des Militärs. Ministerpräsident B.ÿEcevit (ab 1974) löste durch sein Vorgehen im Konflikt mit Griechenland, v.ÿa.

durch die Besetzung des Nordteils von Zypern durch türkische Truppen 1974, nationale Begeisterung aus. Die instabile innenpolitische Situation ab 1975 beendete das Militär am 12.ÿ9. 1980 durch einen unblutigen Militärputsch unter Generalstabschef K.ÿEvren (1982þ89 Staatspräsident). Alle politischen Aktivitäten wurden verboten.

Es kam zu zahlreichen willkürlichen Verhaftungen, Hinrichtungen und anderen Menschenrechtsverletzungen (v.ÿa. Verfolgung der in der Türkei lebenden ’Kurden seit Ausbruch der Kämpfe um ihre Autonomie im mehrheitlich von ihnen bewohnten Südostanatolien, 1984). Bei den Parlamentswahlen 1983 und 1987 siegte jeweils die ANAP unter T.ÿÖzal (ab 1983 Ministerpräsident, 1989 zum Staatspräsidenten gewählt). Im 1.

und v.ÿa. im 2.ÿGolfkrieg gewährte die Türkei Hunderttausenden aus dem Irak flüchtenden Kurden beschränkte Aufnahme. Nach den Wahlen 1991 wurde S.ÿDemirel Ministerpräsident einer DYP-SHP-Koalitionsregierung; nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten (1993; im Amt bis Mai 2000) folgte ihm mit T.

ÿÇiller (DYP) erstmals eine Frau im Amt des Ministerpräsidenten. Bei den Parlamentswahlen vom Dezember 1995 wurde die von N.ÿErbakan geführte fundamentalistisch-islamische RP stärkste politische Kraft. Das erst im März 1996 erreichte Regierungsbündnis von AVNAP und DYP zerbrach bereits im Juni 1996. Die folgende Koalitionsregierung von RP und DYP unter Ministerpräsident Erbakan verfolgte einen zunehmend islamistischen Kurs. Sie trat im Juni 1997 unter dem Druck des Militärs zurück.

Ministerpräsident wurde erneut M.ÿYilmaz (ANAP; gestürzt im November 1998). Im Januar 1998 erfolgte ein Verbot der RP, die im Parlament die größte Fraktion stellte. Nachfolger von Yilmaz als Ministerpräsident wurde im Januar 1999 B.ÿEcevit (DSP), seit den Neuwahlen vom April 1999 in einer Koalitionsregierung aus DSP, MHP und ANAP. Im Mai 2000 wurde A.

ÿN. Sezerÿþ als Nachfolger von Demirel sowie als erster Zivilist beziehungsweise Nichtberufspolitikerÿþ zum Staatspräsidenten gewählt (vereidigt am 16.ÿ5.). Die Kontroverse zwischen Ministerpräsident Ecevit und Staatspräsident Sezer um die Bekämpfung der Korruption löste im Februar 2001 eine der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrisen in der Geschichte des Landes aus. Im März 2001 legte die Regierung ein »Nationales Programm« für den EU-Beitrittsprozess vor.

Im Gefolge des Verbots der Tugendpartei im Juni 2001 durch das Verfassungsgericht entstanden zwei Nachfolgeparteien; populär wurde die liberaler orientierte »Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei« (AK) des früheren Istanbuler Bürgermeisters R.ÿT.ÿ Erdogan. Im Streit um den Kurs zur EU und um den Reformkurs zur Behebung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, verstärkt durch das Verbleiben des schwer kranken Ecevit im Amt, kam es im Sommer 2002 durch Austritt prominenter Mitglieder und vieler Minister aus der DSP zur Regierungskrise. Nach der Abspaltung einer neuen, »sozialdemokratisch und europäisch« ausgerichteten Partei (»Yeni Türkiye Partisi«, »Partei für eine neue Türkei«) aus der DSP im Juli 2002 wurden für den 3.ÿ11.

2002 Neuwahlen anberaumt. Aus ihnen ging die als gemäßigt islamistisch geltende AKP unter Erdogan als überwältigende Siegerin hervor (absolute Mehrheit); durch die völlige Umstülpung des etablierten Parteiengefüges (Scheitern der drei bisherigen Regierungsparteien DSP, MHP und ANAP wie auch der DYP an der 10ÿ%-Klausel) übernahm die CHP allein die Rolle der Opposition im Parlament. Ministerpräsident einer erstmals wieder nicht auf Koalitionspartner angewiesenen, allein von der AKP getragenen Regierung wurde am 16.ÿ11. zunächst Abdallah Gül. AKP und Regierung kündigten umfangreiche Wirtschaftsreformen, eine neue Verfassung entsprechend den EU-Normen sowie die Fortsetzung des europapolitischen Kurses an.

Nach einer Verfassungsänderung (Artikel 67 und 76; 27.ÿ12. 2002, trotz Veto von Staatspräsident Sezer), aufgrund deren das Politikverbot für Erdogan aufgehoben wurde, und nach dessen dadurch ermöglichtem Nachwahlerfolg am 9.ÿ3. 2003 wurde Erdogan am 11.ÿ3.

2003 zum Ministerpräsidenten gewählt; Gül übernahm das Amt des Außenministers.   Kurden-Konflikt und Außenpolitik: Mit großer Härte wurde der Kampf gegen die ’PKK in Südostanatolien sowie gegen deren Guerillaaktionen geführt (1984/93þ99; etwa 37ÿ000 Tote); dennoch blieben dieÿþ bisher unerfüllten und Anfang 2000 weitgehend aufgegebenenÿþ Autonomieforderungen der in Südostanatolien lebenden Kurden ein großes innenpolitisches Problem, ebenso wie die Bekämpfung islamistischer Tendenzen im öffentlichen Leben. Der Hochverratsprozess und das Todesurteil (29.ÿ6. 1999) gegen PKK-Generalsekretär A.ÿÖcalan erschütterten die Türkei (Spruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anhängig, Prozessauftakt am 21.

ÿ11. 2000, Klage für zulässig erklärt am 15.ÿ12. 2000; deshalb Vollstreckung Ende November 1999 ausgesetzt, Spruch vom 12.ÿ3. 2003).

In der Folge rückte eine friedliche Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts in Sicht: Gewaltverzichtserklärung und Rückzug der PKK aus der Türkei ab Ende August/Anfang September 1999; offiziell erklärte Umbildung zur politischen Partei (einschließlich Umbenennung 2002 und Änderung der politischen Ziele). Friedensverhandlungen lehnte die türkische Regierung (bisher) jedoch ab.ÿþ Die Türkei erstrebt die Mitgliedschaft in der EU; Ende 1999 erhielt sie Kandidatenstatus (Abkommen zur Beitrittspartnerschaft vom Dezember 2000, ab März 2001 in Kraft). Im griechisch-türkischen Konflikt um ’Zypern sowie bei der Kontroverse um die Hoheitsrechte in der Ägäis bemühten sich die Türkei und Griechenland seit 1998/99 verstärkt, aber letztlich ergebnislos um Versöhnung; im März 2003 scheiterte endgültig ein UN-Plan zur Wiedervereinigung. Der türkische Norden Zyperns bildete 1998 mit der Türkei eine Freihandelszone. Im Februar 2000 war die Türkei, wie Griechenland und fünf weitere Balkanländer, alle Mitglieder des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (englische Abkürzung SEECP), in Bukarest an der Unterzeichnung einer Charta für Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft in der Region beteiligt.

ÿþ Im ’Antiterrorkrieg (seit 2001) erlangte das NATO-Mitglied Türkei zunehmende strategische Bedeutung. Anfang August 2002 wurde ein Reformpaket zur Erfüllung der Kriterien für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen angenommen (u.ÿa. Abschaffung der Todesstrafe, betrifft insbesondere das Verfahren gegen Öcalan). Im Irakkrieg ab März 2003 gab die Türkei den US-amerikanischen Truppen logistische Unterstützung, u.ÿa.

durch Öffnung des Luftraums zum Überflug, weigerte sich aber, Militärbasen für den Aufmarsch von Bodentruppen zur Verfügung zu stellen. Sie versicherte, keine Invasion in Nordirak (zur Verhinderung eines Kurdenstates) zu unternehmen, war aber zur humanitären Hilfeleistung bereit. Ein schweres Erdbeben der Stärke 7,4 zerstörte am 17.ÿ8. 1999 zahlreiche Dörfer und Städte am östlichen Marmarameer (Epizentrum: Izmit; Zahl der Todesopfer vermutlich 3ÿ000; die Europäische Investitionsbank sagte zu, den Wiederaufbau der Region mit 1,5 Mrd. DM zu fördern).

    Geschrieben von Harun Altindal am 18.3.2004

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