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  Politisch-, wirtschafts- und bevölkerungsgeographische perspektiven macaos

Zwischen Hongkong und Macao liegen nicht nur die lehmig-gelben, von pausen-los verkehrenden Tragflügelboten durchpflügten Fluten des Perlflußdeltas, sondern Welten. Die rund 60 Kilometer voneinander entfernten Städte weisen zwar viele Gemeinsamkeiten auf, die Unterschiede überwiegen jedoch (K. A. DIETSCH & E. PANSGERAU 1989, S. 116).

Sowohl Hongkong, als auch Macao gelten als chinesisches Territorium - das eine war unter britischer, das andere steht noch unter portugiesischer Verwaltung. Beide waren Brückenköpfe westlicher Zivilisationen, Macao allerdings schon 300 Jahre früher als Hongkong. Und beide haben das gleiche Schicksal: die Rückgabe an China. Man fühlt sich in Macao immer noch wie in einer südchinesischen Provinzstadt mit einem kräftigen iberischen Make-up (K. KRÄNZLE 1986). Macao wurde 1557 von den Portugiesen gegründet.

Dies geschah mit dem Segen der chinesischen Regierung, denn die Portugiesen bekämpften von Macao aus die Piraterie im Chinesischen Meer. Macao entwickelte sich schnell zum wichtigsten Handelszentrum der Europäer in Asien. Auch die Kirche nutzte den Stützpunkt Macao, und Papst Gregor XIII. ernannte die Stadt 1576 zur Diözese für den gesamten Fernen Osten. Als Portugal durch seine Niederlage gegen Philipp II. von Spanien stark geschwächt war und immer mehr an Bedeutung einbüßte, verlor auch Macao schließlich seine Vorrangstellung als Handelsstützpunkt an das spanische Manila und das niederländische Batavia (Djakarta), bis diese wiederum vom britischen Hongkong entmachtet wurden (K.

A. DIETSCH & E. PANSGERAU 1989, S. 121). Macao erreichte nie wieder die wirtschaftliche Bedeutung, die es einst hatte, sondern stand und steht bis heute im Schatten des mächtigen Hongkongs. Zum Vergleich: während sich das Bruttoinlandsprodukt Hongkongs 1991 auf 81.

154 Mio. US$ belief, betrug das Macaos lediglich 4.162 Mio.US$ (Y. NIEH 1992, S. 878).

Macao hat keinen Fernstraßenanschluß, keine Bahnverbindung, keinen Flughafen und die Häfen sind wegen der Ablagerungen des Perlflusses nur drei Meter tief, damit außer für die Fähren aus Hongkong nur für kleinere Schiffe zugänglich. Außerdem ist Macao mit einer Fläche von 16 km² 66 mal kleiner als Hongkong mit 1063 km² (D. BÖHN 1987, S. 123). Traditionell galt und gilt Macao als eine "verlängerte Produktionsstätte" Hongkongs (Y. NIEH 1992, S.

878). Produziert werden nahezu ausschließlich leichtindustrielle Güter wie Streichhölzer, Feuerwerkskörper, Kunstblumen und vor allem Textilien (D. BÖHN 1987, S. 123). Aufgrund der Nähe zu China mit noch billigeren Löhnen und Bodenpreisen verlagerten in den letzten Jahren nicht nur Hongkong sondern auch die Macaoer ihre Produktionsstätten über die Grenze hinweg. Dies zwingt sowohl Macao als auch Hongkong, ihre Wirtschaft umzustrukturieren, d.

h. statt der arbeitsintensiven Industrie müssen die kapitalintensive Industrie und der Dienstleistungsbereich verstärkt werden. Die Umstrukturierung läßt sich in der Außenwirtschaft Macaos deutlich erkennen. 1991 ging der reale Wert der Güterexporte gegenüber dem Vorjahr um 6,9% zurück, der der Güterimporte stieg hingegen um 7%. Ein wesentlicher Wirtschaftszweig Macaos ist der Tourismus geworden. Nicht zuletzt wegen des Glückspielverbots in Hongkong besuchen jedes Jahr mehrere Millionen Touristen (davon ca.

80% Hongkong-Chinesen) Macao, mit steigender Tendenz. Die Konzessionsabgaben der 6 Spielkasinos hatten 1991 einen Anteil von 31,5% an den Regierungseinnahmen (Y. NIEH 1992, S. 878-880). Macao ist mit einer Bevölkerungsdichte von 20 494 Einw. / km² das am dichtesten besiedelte Territorium der Erde (R.

GLASER und P. HABERZETTL 1994, S. 86). Die Chinesen bilden mit ca. 97% die große Mehrheit der Bevölkerung. 27,9% der Bevölkerung Macaos haben die portugiesische Staatsbürgerschaft (R.

GLASER und P. HABERZETTL 1994, S. 91 - 92). Eine kleine, aber einflußreiche Minderheit bilden die Macanesen, Mischlinge aus portugiesisch-asiatischen (vor allem chinesischen) Ehen, deren Familien teilweise schon seit Jahrhunderten in Macao seßhaft sind. Die Macanesen - etwa drei Prozent der Bevölkerung - identifizierten sich stets stärker mit Portugal als mit China. Die chinesische Bevölkerungsmehrheit in Macao schätzt die macanesische Elite deshalb nicht besonders, zumal da die macanesischen Beamten in der Regel chinesisch zwar sprechen, nicht aber lesen und schreiben können (K.

KRÄNZLE 1986). 1992 wurde Chinesisch als offizielle Landessprache anerkannt. Seitdem sind alle Gesetze, Verordnungen usw. ins Chinesische übersetzt worden, so daß ein Großteil der Bevölkerung zum ersten Mal die Möglichkeit hat, sich über seine bürgerlichen Rechte und Pflichten zu informieren und sich aktiv an der Politik zu beteiligen (K. BRANDT 1994). Macaos Bevölkerungsentwicklung war stets von politisch und wirtschaftlich motivierten Wanderungsbewegungen geprägt.


So führten insbesondere die Flüchtlingsströme nach dem Zusammenbruch des alten Kaiserreiches, während des zweiten Weltkrieges und während Chinas Kulturrevolution in Macao zu sprunghaften Bevölkerungszuwächsen. In Friedenszeiten oder in Zeiten ökonomischer Krisen hatte Macao wiederum einen starken Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, weil die Menschen auf der Suche nach Arbeit abwanderten, oder einfach zurück in ihre alte Heimat gingen (R. GLASER und P. HABERZETTL 1994, S. 88-90). Auch in Zukunft wird Macaos demographische Entwicklung in starkem Maße von Migrationsbewegungen abhängen.

Mit Sicherheit wird die Zahl der Europa-Portugiesen und wahrscheinlich auch Macanesen stark zurückgehen, die Zahl der Chinesen dagegen weiter ansteigen (R. GLASER und P. HABERZETTL 1994, S. 97). Ein großes Problem der Bevölkerungsentwicklung Macaos ist schlicht Platz-mangel. Bereits heute besteht das Gebiet von Macao zu rund einem Drittel aus Aufschüttungen.

Landgewinnungsmaßnahmen können als augenfälliger räumlicher Reflex angesehen werden, der durch die Bevölkerungsentwicklung mittel- und unmittelbar ausgelöst wurde (R. GLASER und P. HABERZETTL 1994, S. 95). Nach der Rückgabe an China soll Macao ähnlich wie Hongkong einen Status als besondere Wirtschafts- und Verwaltungszone mit einem auf 50 Jahre garantierten eigenen (kapitalistischen) Witschaftssystem erhalten (K. GROBE 1986).

Rechte wie etwa Meinungsfreiheit, freie Religionsausübung, freie Wahl des Arbeitsplatzes, Pressefreiheit, Gründung von Gewerkschaften usw. sollen nicht angetastet werden. Macao bleibt freier Hafen, China wird keine Steuern erheben, selbst die Währung "Pataca" bleibt erhalten. Für Verteidigung und Auswärtiges ist ab Ende des Jahrhunderts Peking verantwortlich. Vor Gericht und in der gesetzgebenden Versammlung wird neben Chinesisch auch Portugiesisch weiterhin zugelassene Sprache sein (W. MOELLERS 1987).

Die Nationalitätenfrage war einer der wenigen Streitpunkte bei der Verhandlung um die Übergabe. Portugal versuchte zunächst eine doppelte Staatsangehörigkeit durchzusetzen, was die Chinesen jedoch ablehnten. Man einigte sich darauf, daß alle Besitzer eines Portugiesischen Passes diesen auch nach der Übergabe behalten dürfen. Danach jedoch kann niemand aufgrund seiner Verbindung zu Macao portugiesischer Staatsbürger werden (W. MOELLERS 1987). Wegen seiner eher bescheidenen Wirtschaft ist Macao für China von weit geringerer Bedeutung als Hongkong.

Was in Macao produziert wird, machen die Chinesen heute zum größten Teil auch (K. KRÄNZLE 1986). Es ist zu erwarten, daß die Portugiesen bei der Übergabe Macaos wenig Schwierigkeiten machen werden, da sie schon lange das Interesse an Macao verloren und schon zweimal (1974 und 1979) die Rückgabe an China versuchten. Macao wurde immer und muß vermutlich auch weiterhin in einem Atemzug mit Hongkong genannt werden. Die Macanesen waren stets wenig besorgt um ihre Zukunft und warteten ruhig ab und beobachteten das Geschehen in Hongkong, das die Übergabe an China ja bereits "ohne größere Schäden" überstanden hat. Es ist wohl zu erwarten, daß die Übergabe Macaos an China ebenso unspektakulär wird wie die Hongkongs, denn die Chinesen scheinen sich der Gefährlichkeit eines Eingreifens in funktionierende Systeme bewußt zu sein.

Sicherlich ist Macao für die Chinesen von weit geringerer Bedeutung als Hongkong. Macao ist aber das "Amüsierviertel" Hongkongs, und eine Veränderung in Macao (z.B. die Unterbindung kapitalistischer Einrichtungen wie Spielkasinos oder Pferderennbahnen) würde Hongkong empfindlich treffen, was die Chinesen wohl vermeiden werden. Macaos Geschäftsleute sind davon überzeugt, daß China das Vertrauen in die Stabilität Hongkongs und Macaos und seine Politik der zwei Systeme in einem Land auf keinen Fall erschüttert sehen will - aus wirtschaftlichen Erwägungen, aber vor allem aus politischen. In diesem Zusammenhang fällt dann der Name Taiwan, dessen Wiedervereinigung mit dem Festland nach einhelliger Meinung oberste Priorität in Peking hat (G.

VENZKY 1986). Man kann wohl sagen, daß sich die Lage Macaos nach der Jahrtausendwende weder wirtschaftlich noch politisch großartig verändern dürfte, lediglich die Zusammensetzung der Bevölkerung wird sich eindeutig zu Gunsten der Chinesen verändern.

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